Das Abschalten der letzten Atomkraftwerke in Deutschland hat nicht wesentlich zu den Preisspitzen der vergangenen Jahre beigetragen und auch keine substanziellen Netzengpässe verursacht. Dies ist das Kernergebnis einer Studie des DIW Berlin Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. Die Wissenschaftler haben mithilfe eines Strommarktmodells zwei Szenarien berechnet und miteinander verglichen: Im ersten waren – wie im Jahr 2021 – noch sechs Kernkraftwerke in Betrieb, im zweiten keines mehr. Die Analyse zeigt, dass die fehlende Atomenergie von rund 65 TWh in einer statischen Betrachtung durch fossile Energie kompensiert worden wäre, was kurzfristig zwar zu einem Anstieg der CO2-Emmission geführt hätte. In der Realität ist dieser Effekt aber dadurch kompensiert worden, dass zeitgleich erneuerbare Energien ausgebaut wurden und der Stromverbrauch insgesamt zurückgegangen ist.
In der hypothetischen Analyse für das Jahr 2021 zeigen Modellrechnungen, dass der durchschnittliche Strompreis ohne Kernkraftwerke kurzfristig um bis zu 11 % gestiegen wäre. Christian von Hirschhausen, Forschungsdirektor in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im DIW, erläutert, dass der tatsächliche Strompreisanstieg im selben Jahr im Vergleich dazu gering ist. Er weist drauf hin, dass der Preis von rund 41 Euro/MWh im April auf bis über 250 Euro/MWh im Dezember dieses Jahres gestiegen ist, was durch höhere Rohstoffpreise verursacht wurde. Laut C. von Hirschhausen haben vor allem die kriegsbedingten Gaspreissteigerungen und die großen Ausfälle französischer Kernkraftwerke die Strompreise erhöht.Dies ist bedingt durch die dominante Stellung der Atomkraft im französischen Energiemix. Auch der Effekt auf die Netzengpässe ist laut Szenarioanalyse eher gering. In der Realität sind bei der Abschaltung der verbleibenden drei Kernkraftwerke vor einem Jahr die Preise zunächst leicht gefallen.
Kohleausstieg bis 2030 machbar
Ein weiteres Szenario für das Jahr 2030 untersucht, wie sich der Strommarkt entwickelt, wenn neben den Kern- auch die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Grundannahmen sind, dass die Ausbauziele von Erneuerbaren erreicht werden, die aktuelle Leistung der Gaskraftwerke erhalten bleibt und die der Biomassekraftwerke um rund 20 % steigt. Die Modellrechnungen zeigen, dass ein Kohleausstieg bis 2030 ebenso wie ein Anteil von 80 % Erneuerbarer am Stromverbrauch weiter erreichbar ist. Erdgaskraftwerke machen in diesem Szenario noch 18 % der Stromerzeugung aus.
Beim Ausbau der Erneuerbaren Tempo machen
Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im DIW Berlin, weist drauf hin, dass der Strommarkt die Energiekrise gut überstanden hat und die Preise ungefähr wieder so niedrig sind wie im vergangenen Jahrzehnt. Sie betont, dass die Politik aus dem Krisenmodus kommen und den Fokus wieder auf den Ausbau der erneuerbaren Energien richten muss. Sie stellt klar, dass wir nur dann das Ziel erreicht wird, 80 % des Stromverbrauchs bis 2030 aus erneuerbaren Energien zu decken, wenn „Tempo“ gemacht wird.