Direct Air Capture (DAC) ist ein Verfahren, mit dem CO2 direkt aus der Umgebungsluft gewonnen werden kann. Im Rahmen des vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg geförderten Projekts „Direct Air Capture made in Baden-Württemberg (DAC-BW)“ hat das ZSW Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, Stuttgart, in den vergangenen zwei Jahren die Industrialisierung von DAC-Technologien intensiv vorangetrieben. Um dies direkt in Wertschöpfung für Baden-Württemberg umsetzen zu können, erfolgte die Entwicklung unmittelbar im Austausch mit Unternehmen aus dem Land. Als Forschungspartner ist das DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Köln, mit Strömungssimulationen zur optimierten Anlagenauslegung beteiligt. Beim Direct Air Capture-Verfahren strömt die Umgebungsluft durch ein Absorbens, das ihr einen Teil des Kohlendioxids entzieht. Nach Desorption und Aufkonzentration erhält man CO2 mit einem hohen Reinheitsgrad, welches anschließend direkt als Rohstoff für die Chemieindustrie beispielsweise für die Synthese von Basischemikalien wie Methanol oder für die Raffinerie zur Produktion von kohlendioxidneutralen Kraftstoffen eingesetzt werden kann. Denn insbesondere für den Flugverkehr und die internationale Seeschifffahrt gibt es bislang keine absehbar kommerziell verfügbaren Alternativen zum Einsatz von kohlenstoffbasierten Energieträgern, weshalb diese zwingend kohlendioxidneutral werden müssen, um die internationalen Klimaschutzverpflichtungen zu erfüllen.
Vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Industriesektors in Baden-Württemberg – vor allem im Automobilbereich – lag ein Schwerpunkt dieses Projektes darin, Firmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau sowie der Zulieferindustrie über Information und Beratung neue Geschäftsfelder aufzuzeigen. In einem Industriedialog wurden in mehreren Workshops neben einem intensiven technologischen Austausch auch die künftigen Märkte für CO2 als Rohstoff analysiert und diskutiert. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit bereits im Jahr 2030 rund 100 Mio. t/a CO2 über Direct-Air-Capture-Anlagen der Atmosphäre entzogen werden müssen. Bis 2050 wird der Bedarf auf 1 Gt CO2/a bis 2 Gt CO2/a steigen. Daraus lassen sich mögliche Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzpotenziale für Baden-Württemberg ableiten. Das Projekt stieß auf reges Interesse seitens der Industrie und inzwischen ist das Netzwerk auf über 40 Unternehmen gewachsen.
Der Grundstein für die Entwicklung von DAC-Technologien aus Baden-Württemberg ist damit gelegt. Für den weiteren Markthochlauf müssen jetzt wettbewerbsfähige DAC-Produkte entwickelt und Fertigungskapazitäten aufgebaut werden.
Dazu müssen allerdings die Kosten für DAC noch weiter sinken und die Technologien in ihren Baugrößen skaliert werden. Wie dies gelingen kann, zeigt das ZSW: Der neueste Prototyp wurde im Rahmen des 3. Industriedialogs im Betrieb vorgeführt. Die Wäscher-Technologie nutzt etablierte Bauteile und kann einen Großteil des Energiebedarfs aus Abwärme decken, beispielsweise aus nachgelagerten Syntheseprozessen. So erreicht sie bei einem elektrischen Energiebedarf von rund 1 kWh Strom pro kg CO2 eine hohe Kosteneffizienz. Außerdem hat sie ihre Zuverlässigkeit und Robustheit im Dauertest in einer Demonstrationsanlage mit einer Abscheideleistung von rund 10 t/a CO2 über mehr als 16.000 Stunden unter Beweis gestellt.
Die neu in Betrieb genommene Anlage wurde vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, Stuttgart, gefördert und hat eine um den Faktor zehn größere Produktionskapazität von 100 t CO2/a. Die Technologie wurde modular konzipiert, so dass sie auch an entlegene Standorte transportiert und dort zu größeren Anlagen mit Abscheidekapazitäten im Bereich von mehreren 10.000 t CO2/a oder 100.000 t CO2 /a zusammengesetzt werden kann. Dr. Marc-Simon Löffler, Leiter des Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren am ZSW, sagte, dass das ZSW mit dieser neuen Anlage eine der größten ihrer Art in Deutschland betreibt. Sie ist laut dem ZSW die ideale Basis, um mit Unternehmen an der weiteren Industrialisierung und Skalierung von DAC zu arbeiten.
Künftig werden DAC-Anlagen bis in den Megatonnen-Maßstab, das heißt mit Abscheidekapazitäten von mehr als 1 Mio. t CO2/a erforderlich sein, wenn man in relevante Dimensionen bei der Produktion von synthetischen Kraftstoffen oder chemischen Rohstoffen vorstoßen möchte. Stand heute muss das Ziel sein, die Herstellkosten von klimaneutralem CO2 bei günstigen Standortbedingungen auf deutlich unter 100 Euro/t zu senken (der CO2-Preis im europäischen Emissionshandel liegt derzeit bei rund 70 Euro/t CO2). Um das zu erreichen, müssten die Investitionskosten solcher Anlagen beträchtlich gesenkt werden, und zwar auf deutlich weniger als 500 Euro/t jährlicher Produktionskapazität. Das ZSW bietet den Unternehmen an, sie auf diesem weiteren Weg mit Beratungs- und Testmöglichkeiten kompetent zu begleiten.
Über das ZSW
Das ZSW gehört nach eigenen Angaben zu den führenden Instituten für angewandte Forschung in den großen Themen der Energiewende: Photovoltaik, Windenergie, Batterien, Brennstoffzellen, Elektrolyse, E-Fuels, Circular Economy, Politikberatung sowie die Nutzung von KI zur Prozess- und Systemoptimierung. Gemeinsam mit der Industrie ebne das ZSW neuen Technologien den Weg in den Markt. An den Standorten Stuttgart und Ulm arbeiten dafür mehr als 300 Kollegen sowie rund 100 wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte. Das ZSW betreibt ein Testfeld für Windenergie und ein weiteres Testfeld für PV-Anlagen. Das ZSW ist Mitglied der Innovationsallianz Baden-Württemberg (innBW), einem Bündnis aus zehn wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen.