Verbio-Vorstände im Gespräch im Podcast #strohklug

Gesch. Lesedauer: 4 Minuten
Politik, Unternehmen, Verbände
„Wir müssen uns von bestimmten, nicht belegbaren ideologischen Fesseln lösen“, mahnt Claus Sauter, der Vorstandsvorsitzende der Verbio SE.
Foto: David Pinzer

In der aktuellen Ausgabe seines Podcasts #strohklug diskutiert Claus Sauter, Vorstandsvorsitzender der Verbio SE, Zörbig, mit dem Vorstandskollegen und Präsidenten des VDB Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e. V., Berlin, Stefan Schreiber, über die Chancen der neuen gesetzlichen Regelungen. Sie erklären, wie eine konsequente Umsetzung der RED III in deutsches Recht zu Betrugsbekämpfung und Marktnormalisierung beiträgt, welche neue Dynamik sie im deutschen und europäischen Biokraftstoffmarkt entfacht und welche internationalen Aufwärtstrends konkrete Potenziale für die Verbio eröffnen.

Der Referentenentwurf muss noch das deutsche Parlament passieren. Die Experten gehen davon aus, dass eine finale Überführung der RED III in deutsches Recht bestenfalls bis zum Jahresende abgeschlossen sein kann.

Ambitionierte CO2-Reduktionsziele setzen neue Impulse
Die Gesprächspartner begrüßen mit Blick auf den aktuellen Referentenentwurf insbesondere die schrittweise Fortschreibung der THG-Quote (Treibhausgasminderungsquote) bis auf 53 % im Jahr 2040, was mehr Planungssicherheit für Investitionsentscheidungen schaffen soll. Gleichzeitig bieten die geplanten neuen Regelungen gesetzliche Grundlagen, um durch bessere Kontrollmöglichkeiten ausländischer Hersteller und internationaler Lieferketten den seit 2023 andauernden massiven Betrug bei fortschrittlichen Biokraftstoffen in Deutschland und Europa einzudämmen.

Bei der nationalen Umsetzung der RED III zeigen sich beide Experten zuversichtlich: „Wir sind auf dem richtigen Weg, aber es müssen noch ein paar Dinge glattgezogen werden“, betont C. Sauter. Nachbesserungspotenziale sehen die Gesprächspartner zum Beispiel bei der geplanten Senkung der Obergrenze für Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen, da diese deutlich unter den europäischen Vorgaben angesetzt werden soll.

Bessere Betrugsprävention trägt zur Marktnormalisierung bei
Die deutsche Biokraftstoffbranche hat in den vergangenen Jahren massiv unter mutmaßlichen Betrugsfällen bei Biodieselimporten, insbesondere aus China, gelitten. Vor allem fehlende und unzureichende Kontrollen bei ausländischen Herstellern haben dazu geführt, dass der Markt mit zu Unrecht als fortschrittlich deklariertem, palmölbasiertem Biodiesel überschwemmt wurde (siehe #strohklug: Ein nationales Zulassungsverfahren gegen den Klimabetrug).

Der Referentenentwurf zur Umsetzung der RED III sieht schärfere Maßnahmen gegen Betrugsfälle in der gesamten Lieferkette vor. Dazu zählen unter anderem eine Pflicht zur Akkreditierung ausländischer Auditoren nach deutschem Standard sowie die Möglichkeit für deutsche Behörden, Vor-Ort-Kontrollen auch außerhalb der EU durchzuführen, sobald ein Betrugsverdacht vorliegt. Die Richtlinie fordert außerdem einen verpflichtenden Informationsaustausch zur einfacheren Rückverfolgung der Herkunft von Biokraftstoffen.

Beide Vorstände begrüßen die geplanten Kontrollmaßnahmen, fordern aber ergänzend eine strafrechtliche Verfolgung von schwerwiegenden Verstößen, um die Funktionsfähigkeit des Marktes zu stärken.

S. Schreiber betont, dass ein entscheidender Baustein bei der Betrugsprävention die geplante Reform des Vertrauensschutzes darstellt. Dieser ist in der Biokraftstoffnachhaltigkeitsverordnung (Biokraft-NachV) geregelt und nimmt unmittelbar Einfluss auf die Umsetzung der RED III: „Niemand musste Sorgfalt bei der Auswahl seiner Lieferanten betreiben. Hauptsache billig.“ Deshalb ist es aus Sicht von beiden Diskutanten wichtig, dass künftig alle Marktakteure in die Pflicht genommen werden, Verantwortung für ihre Lieferketten zu übernehmen. Die Möglichkeit, betrügerische CO2-Zertifikate abzuerkennen, schafft den notwendigen Sanktionsdruck.

Vor dem Hintergrund der Eindämmung von Betrugsfällen begrüßen beide Vorstände auch den Vorschlag der Abschaffung der aktuellen Doppelanrechnung von fortschrittlichen Biokraftstoffen auf die THG-Quote. C. Sauter betont, dass das Instrument an sich gut gedacht war, um Investitionen zu unterstützen, aber bei einem lückenhaften Kontrollsystem gravierende Fehlanreize gesetzt hat.

C. Sauter konstatiert „Die Branche hat lange genug gelitten. Mit einer konsequenten Umsetzung der RED III und verbesserter Kontrolle schlagen wir ein neues Kapitel für nachhaltigen Verkehr und fairen Wettbewerb auf.“

Revival für Biokraftstoffe der ersten Generation
C. Sauter und S. Schreiber fordern eine Nachbesserung bei der geplanten Absenkung der Kappungsgrenze für Biokraftstoffe der ersten Generation, denn diese ist nach Ansicht der Vorstände weder klimapolitisch noch landwirtschaftlich sinnvoll.

Die Gesprächspartner erwarten ein Revival der Biokraftstoffe der ersten Generation und sind sich einig: Der EU-Spielraum muss ausgenutzt werden, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen: Während die RED III eine Obergrenze von 5,8 % zulässt, sieht der deutsche Referentenentwurf eine Reduktion von derzeit 4,4 % auf 3 % bis zum Jahr 2030 vor.

Laut S. Schreiber ist es weltweit Konsens, dass die primären Feldfrüchte der Landwirtschaft auch für energetische Zwecke eingesetzt werden, solange die Nahrungsmittelversorgung gesichert ist. „Die Diskussion, die bei uns geführt wird, ist eine Scheindebatte“, ergänzt C. Sauter. Denn anstatt einer Knappheit sehen wir nach einer sehr guten Ernte in Deutschland, Europa und den USA deutliche Überschüsse an landwirtschaftlichen Rohstoffen: Millionen Tonnen Getreide und Ölsaaten können von den Landwirten nicht kostendeckend abgesetzt werden. Das belastet die Wirtschaftlichkeit landwirtschaftlicher Betriebe.

Multitalent Biomethan gewinnt weiter an Bedeutung
Die Diskussionsteilnehmer blicken optimistisch in die Zukunft. Biokraftstoffe – sowohl aus Anbaubiomasse als auch aus Reststoffen – bleiben zentrale Bausteine für die Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch in der Luft- und Schifffahrt der Bedarf an klimafreundlichen Kraftstoffen stetig zunimmt. Dadurch eröffnen sich neue Absatzmärkte – insbesondere Biomethan als Energieträger gewinnt weiter an Bedeutung. Nicht nur im Lkw-Straßenverkehr, sondern auch für den maritimen Sektor ist Biomethan als Bio-LNG eine günstige und klimafreundliche Alternative zur Betankung von Schiffen, die bisher mit fossilem Schweröl betrieben werden.

Außerdem ist Biomethan flexibel einsetzbar, um in Raffinerieprozessen fossiles Erdgas zu ersetzen. Ebenso kann es für die Produktion von biogenem Wasserstoff verwendet werden. Hier fordern die beiden Verbio-Vertreter eine Nachbesserung des gesetzlichen Rahmens in Deutschland, der Wasserstoff basierend auf Biomasse weiterhin ausschließt. „Wenn wir beim Thema biogener Wasserstoff für grüne Industrien einen Schritt nach vorn machen wollen, muss die Politik ihre Handbremse lösen“, sagt S. Schreiber.

Weltweiter Aufwärtstrend für Biokraftstoffe
International stehen die Zeichen für Biokraftstoffe auf Wachstum. C. Sauter geht auf aktuelle Beispiele aus China und Indien ein.

Auch der US-Markt entwickle sich sehr gut: Die günstigen Rahmenbedingungen, das große Biomasseangebot und die Fortsetzung des Förderprogramms IRA (Inflation Reduction Act) bieten sehr gute Chancen für die Verbio mit ihren Produktionsanlagen in Iowa und Indiana. Das unter Präsident Joe Biden eingeführte und von Donald Trump ausgeweitete Förderprogramm fördere Biokraftstoffe mit geringer CO2-Intensität und genau da hat die Verbio-Technologie nach eigenen Angaben einen entscheidenden Vorteil gegenüber den klassischen US-Ethanolanlagen.

In Deutschland können wir laut C. Sauter noch etwas Wesentliches von den Amerikanern lernen: „Wir müssen uns von bestimmten, nicht belegbaren ideologischen Fesseln lösen. Und wir müssen die kostengünstigste Variante nutzen.”

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