Verbände zum Mobilitätsgipfel der Bundesregierung

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Beim Autogipfel am 10. Januar 2023 diskutierten Vertreter von Politik und vorrangig der Autoindustrie über Themen der Mobilität.

Im Vorfeld des Mobilitätsgipfels forderte die UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e. V., Berlin, die Bundesregierung auf, den Hochlauf kohlendioxidneutraler E-Fuels endlich mit einer glaubwürdigen und verlässlichen Kraftstoffstrategie voranzutreiben. Nur mit der Einbeziehung des von Verbrennungsmotoren dominierten Kraftfahrzeugbestands in die Bemühungen um CO2-Reduktionen kann die Einhaltung der Klimaziele im Verkehrssektor künftig gelingen.

Grundsätzlich begrüßt die UNITI, dass die Bundesregierung unter der Leitung von Bundeskanzler OIaf Scholz bei einem Automobilgipfel mit Unternehmens- und Verbandsvertretern sowie Wissenschaftlern über die Zukunft der deutschen Automobilindustrie und über klimaneutrale Mobilität diskutiert. Ein Austausch über Klimaschutz im Verkehr ohne Einbeziehung der Kraftstoffbranche scheint für UNITI-Hauptgeschäftsführer Elmar Kühn aber wenig lösungsorientiert. Denn über 98 % der in Deutschland zugelassenen Pkw verfügen über einen Verbrennungsmotor und werden vor allem mit herkömmlichen flüssigen Kraftstoffen angetrieben – mit synthetischen E-Fuels wäre das künftig kohlendioxidneutral möglich. Bislang wird der E-Fuels-Hochlauf vom deutschen und vom europäischen Gesetzgeber allerdings politisch wie regulatorisch ausgebremst. Ein Fehler, so E. Kühn: Mit der Elektromobilität allein wird der Verkehrssektor nachweislich auch weiter seine Klimaziele verfehlen. Und dann drohen eine erzwungene Reduzierung des Verkehrs sowie der Verlust der bezahlbaren Automobilität für jedermann.

E-Fuels verbinden Mobilitätsbedarfe mit Anforderungen des Klimaschutzes

Dabei wachsen die Mobilitätsbedarfe der Menschen und der Unternehmen vielmehr weiter an. Der Gütertransport beispielsweise findet zum größten Teil auf der Straße statt und garantiert die Versorgungssicherheit mit Energie, Lebensmitteln, Produktionsgütern für die Industrie und anderen lebenswichtigen Waren. kohlendioxidneutrale Kraftstoffe könnten diese Mobilitätsbedarfe mit den Anforderungen des Klimaschutzes verbinden. Einseitige Rohstoffabhängigkeiten von China sowie der Verlust von Arbeitsplätzen und von Wertschöpfung in der Automobilindustrie in Deutschland, wie sie mit der Elektromobilität einhergehen, könnten vermieden werden. Aus Sicht des Verbandes muss die Bundesregierung daher dringend eine Strategie für den Hochlauf aller kohlendioxidneutralen Kraftstoffe auf den Weg bringen!

en2x :„Gleiche Intensität für alle Optionen“

Der en2x – Wirtschaftsverband Fuels und Energie e. V., Berlin, bekräftigt anlässlich des Mobilitätsgipfels seine Bereitschaft, die Bundesregierung bei ihrem Ausbauziel der Elektromobilität weiter zu unterstützen. Genauso wichtig für das Erreichen der CO2-Sektorziele im Verkehr sind geeignete Rahmenbedingungen für eine deutliche Ausweitung des Angebots nachhaltiger Kraftstoffe. Das ist noch nicht der Fall.

Auch wenn vor, während und nach dem ersten Mobilitätsgipfel über den richtigen Weg weiter heftig diskutiert wird – das Ziel des beschleunigten Aufbaus der Ladeinfrastruktur für E-Autos ist nach Ansicht des en2x-Hauptgeschäftsführers Prof. Christian Küchen richtig. Die derzeit rund 12.000 öffentlichen Ladesäulen in Deutschland sind noch viel zu wenig.

Die en2x-Mitgliedsunternehmen, die früher ausschließlich im Mineralölgeschäft tätig waren, engagierten sich beim Thema E-Auto-Laden bereits seit einigen Jahren mit hohem Aufwand, erklärt C. Küchen weiter. Die Zahl der von ihnen an und auch jenseits von Tankstellen installierten Ladesäulen, meist Schnelllader, steigt stetig. Jetzt gilt es vor allem, bestehende Hürden zu überwinden. Das betrifft etwa langwierige Ausschreibungen von Flächen, fehlende Netzanschlüsse, zähe Genehmigungsprozesse und umständliche Förderprogramme.

Vier von fünf Neuwagen haben einen Verbrennungsmotor

Vor allem muss jetzt nach Ansicht von C. Küchen aber mit derselben Intensität der Aufbau von Produktionskapazitäten für alternative Kraftstoffe vorangetrieben werden, also für fortschrittliche Biokraftstoffe, die nicht in Konkurrenz zu Lebensmitteln stehen, und strombasierte synthetische Kraftstoffe. Hier steht Deutschland erst ganz am Anfang.

Dabei geht es nicht nur um den großen Fahrzeugbestand. Trotz der erfreulichen Zunahme des Anteils der E-Autos bei den Neuzulassungen im vergangenen Jahr darf nicht übersehen werden, dass über 80 % der Neufahrzeuge 2022 einen Verbrennungsmotor hatten. Auch diese Pkw, von denen die meisten auch nach 2035 noch in Betrieb sein dürften, benötigen immer größere Anteile erneuerbarer Kraftstoffe. Andernfalls sind die Klimaziele nicht zu erreichen.

Seit eineinhalb Jahren Stillstand bei Energiesteuerreform

Leider fehlt für die notwendigen Milliardeninvestitionen nach wie vor die Planungssicherheit. So ist immer noch nicht festgelegt, welcher Strom zur Herstellung „grünen“ Wasserstoffs verwendet werden kann und welche Kohlenstoff- bzw. CO2-Quellen für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe anerkannt werden. Genauso unverständlich bleibt, dass die notwendige Reform der Energiebesteuerung, wie sie die EU-Kommission vor eineinhalb Jahren vorgeschlagen hat, immer noch nicht angegangen wird. Es ist aus Sicht des en2x nicht nachvollziehbar, dass jeder Liter Benzin gleich hoch besteuert wird – unabhängig davon, ob er fossil oder nachhaltig und damit „grün“ ist.

VDB: Realität nicht aus den Augen verlieren und Biokraftstoffe weiter nutzen

Wer der Realität ins Auge blickt, kommt an Biokraftstoffen beim Klimaschutz im Straßenverkehr bis auf Weiteres nicht vorbei. Nur wenn das nachhaltige Potenzial von Biodiesel, Bioethanol und Biomethan genutzt wird, sind die verbindlichen Vorgaben des Klimaschutzgesetzes heute und bis 2030 einzuhalten, so Elmar Baumann, Geschäftsführer beim VDB Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e. V., Berlin. Er äußerte sich schon im Vorfeld des Autogipfels. Zwar ist es aus seiner Sicht richtig, die Elektromobilität und die dafür erforderliche Ladeinfrastruktur weiter auszubauen. Allerdings darf der bestehende Fahrzeugbestand nicht außer Acht gelassen werden. Der VDB wünscht es sich sehr, dass die Bundesregierung ihr Ziel erreicht und 15 Mio. Elektroautos bis 2030 auf den Straßen fahren. Doch derzeit liefern fast ausschließlich Biokraftstoffe verlässlichen Klimaschutz im Straßenverkehr. Bis 2030 werden sie laut E. Baumann den größten Anteil an der Emissionsminderung leisten. Derzeit fahren auf deutschen Straßen rund 48,5 Mio. Pkw mit einem konventionellen Antrieb. Folglich wird es auch 2030 noch über 30 Mio. Autos mit Verbrennungsmotor geben, selbst wenn die Bundesregierung die Ziele für E-Mobilität erreicht. Biokraftstoffe können den großen Fahrzeugbestand und Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor klimafreundlicher machen. Ein Verzicht auf Biokraftstoffe würde das Ziel vereiteln, schnell den Verbrauch fossiler Energie im Straßenverkehr herunterzufahren.

Ohne Biokraftstoffe wird außerdem der Bundeshaushalt stark belastet. Grund dafür sind die europäischen Klimaschutzvorgaben in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude. Erreicht Deutschland diese Ziele nicht, muss die Bundesrepublik Verschmutzungsrechte von anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union kaufen, die ihre Vorgaben übererfüllen. Durch ihre CO2-Reduktionen können Biodiesel, Bioethanol und Biomethan diese Verpflichtungen stark mindern und dadurch bis 2030 bis zu 10 Mrd. Euro für den Bundeshaushalt sparen. Biokraftstoffe lohnen sich für E. Baumann nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für den Bundeshaushalt. Auch das ist eine wichtige Nachricht für den Autogipfel.

Mittel- und langfristig ist eine Verlagerung der Nutzung von Biodiesel, Bioethanol und Biomethan sinnvoll. Biokraftstoffe sollten in einigen Jahren verstärkt im Straßengüterverkehr und in besonderen Anwendungen zum Beispiel in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Dort ist eine Elektrifizierung technisch schwierig oder sehr teuer. Darüber hinaus kämen auch Verwendungen außerhalb des Verkehrssektors in Frage. Biokraftstoffe kann die chemische Industrie perspektivisch als erneuerbaren Rohstoff nutzen, um schrittweise auf fossile Ausgangsstoffe zu verzichten.

MEW fordert mehr klimaneutrale Kraftstoffe für den Straßenverkehr

Der Mobilitätsgipfel zeigt die Diskussionslinien und die unterschiedlichen Prioritäten der Beteiligten. Aber statt sich auf die Rettung des Klimas zu konzentrieren, ideologisiert die deutsche Politik aus Sicht des MEW Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland e. V., Berlin, den Verbrennungsmotor.

Der Verband fordert ein Mobilitätskonzept, das sowohl die unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse der Menschen, Rohstoffabhängigkeiten, Lieferketten- und Beschäftigungseffekte als auch einen technologieoffenen Wettbewerb einbezieht. Die CO2-Minderungsziele können nur erreicht werden, wenn Elektromobilität durch klimaneutrale Kraftstoffe ergänzt wird. Der Verkehrssektor wird die Klimaziele nicht erreichen, wenn er weiter durch einseitige politische Rahmenbedingungen daran gehindert wird.

Das Klima saß leider nicht mit am Tisch, bedauert Dr. Uta Weiß, Vorstandsvorsitzende des MEW. Es muss ihrer Meinung nach als aller erstes um die CO2-Minderung gehen und wie diese möglichst schnell und effizient erreicht werden kann. Stattdessen wird in Deutschland immer noch über ideologische Grundsätze und unrealistische Pläne gestritten.

Beim Autogipfel diskutierten Vertreter aus Politik und vorrangig der Autoindustrie über Themen der Mobilität. Leider ohne Ergebnisse. Aber der Grundtenor „Endlich haben wir mal geredet“ stimmte viele Teilnehmer eher positiv. Für MEW-Geschäftsführer Dr. Hans Wenck ist es erschreckend, dass es bei den vielen Gremien, die die Ampelregierung rund um die Mobilität etabliert hat, bisher kein Konzept zu geben scheint, das eine ausreichende Minderung der CO2-Emissionen herbeiführt. Die Verfehlung der gesteckten Klimaschutzziele im Verkehrssektor unterstreicht, dass der eingeschlagene Weg nicht zum Ziel führt sondern jetzt wirklich alle Register gezogen werden müssen.

Der Mittelstand steht ebenfalls bereit: klimaneutrale Kraftstoffe könnten schnell zur CO2-Minderung beitragen, ergänzt Geschäftsführer Frank Schaper. Die Infrastruktur ist bereits vorhanden, da muss kein Tanklager und keine Tankstelle neu gebaut werden. Der Anpassungsaufwand ist minimal, der Effekt wäre jedoch groß. Dazu muss allerdings der politische Rahmen so angepasst werden, dass klimaneutrale Kraftstoffe vorangetrieben werden und Investitionen in neue Produktionsanlagen attraktiv werden.

Laut. U. Weiß wird mit der Maßgabe, sofort alles perfekt machen zu wollen, das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Übergangsregelungen, Zulassungen, Normungsprozesse und Einstiegsbedingungen werden derart allerdings behindert. Die Elektromobilität mag in einigen Dekaden die Antriebsart der Wahl sein, um kohlendioxidarm mobil zu sein. De facto fahren E-Autos momentan auch mit Kohlestrom und der ÖPNV ächzt unter zu geringen Kapazitäten bei der Personenbeförderung. Die Verbandsvorsitzende fordert, das vorhandene Mobilitätssystem zu defossilisieren. In Europa gibt es vorrangig Autos mit Verbrennungsmotor, zumindest für die kommenden zwei bis drei Jahrzehnte, weltweit sicher noch deutlich länger.

Die große Diskrepanz zwischen Zielen und Realität kann mittlerweile auch von den politischen Entscheidern nicht mehr ausgeblendet werden.

Der MEW fordert deshalb ein realitätsnahes Mobilitätskonzept, das nicht wie bisher auf Szenarien basiert, die die Wunschvorstellungen für die Dekarbonisierung im Verkehrssektor abbilden. Es braucht Realitätssinn und praktikablere Lösungen.

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