Nach der vom BAG Bundesamt für Güterverkehr, Köln, aktuell veröffentlichten Gleitenden Mittelfristprognose (Sommerprognose 2022) für den Güter- und Personenverkehr wird der Seegüterumschlag im laufenden Jahr sowohl von der stark nachlassenden Dynamik des Welthandels als auch vom Wegbrechen des Seeverkehrs mit Russland (9 % des Gesamtumschlags) getroffen. Durch klare Zuwächse bei Energieträgern könnten diese Einflüsse jedoch fast vollständig ausgeglichen werden. Für das Jahr 2023 ergibt sich daraus für den Gesamtumschlag eine Stagnation, erst im Jahr 2024 wird der Seeverkehr angesichts der Belebung des Welthandels auf den Wachstumspfad zurückfinden.
Der Seeverkehr ist im vergangenen Jahr 2021 von einer klaren Aufholbewegung geprägt gewesen. Der Güterumschlag hat um 4,7 % zugenommen, womit rund 70 % des vorjährigen pandemiebedingten Einbruchs kompensiert werden konnten. Die Belebung des Welthandels und des deutschen Außenhandels hat auf den Containerverkehr ausgestrahlt. Dort ist zwar die Zahl der umgeschlagenen Standardcontainer (TEU) um rund 5 % gestiegen, die beförderte Gütermenge jedoch wesentlich schwächer (1,6 %). Dagegen hat der Umschlag von Kohle und von Rohöl eine ungeahnte Expansion verzeichnet.
Der Gesamtumschlag wird laut der Prognose im Jahr 2022 um 0,7 % leicht sinken und von mehreren Sonderfaktoren geprägt. Die Russlandverkehre (rund ein Zehntel des Gesamtumschlags) sind im ersten Halbjahr um 20 % gesunken, also noch nicht in dem nach Kriegsbeginn befürchteten Ausmaß, allerdings mit zunehmender Tendenz. Dies hat zu einer Absenkung des Gesamtumschlags von 2 %
geführt. Hinzu kommen die anhaltenden Lieferengpässe, die sich im Welthandel und damit im Seeverkehr noch stärker auswirkten bei den Hinterlandverkehren in Deutschland. Deshalb ist für den Containerbereich im laufenden Jahr mit einem Rückgang zu rechnen. Dagegen entsteht bei Rohöl ein klarer expansiver Effekt. Russisches Rohöl, weit überwiegend per Pipeline nach Deutschland befördert, wird zum Teil durch Herkunftsländer ersetzt, deren Lieferungen über deutsche Seehäfen nach Deutschland gelangen. Außerdem erhöhen sich die Importe von Steinkohle nochmals erheblich. Dem steht allerdings ein ebenso klares Minus bei Mineralölprodukten gegenüber.
Im kommenden Jahr 2023 dürften die Lieferengpässe zu einem positiven Basiseffekt im Seeverkehr führen. Deshalb rechnet die BAG-Prognose für den Containerverkehr im kommenden Jahr zumindest mit einer leichten Zunahme. Bei den Massengütern wird sich die diesjährige, außerordentlich günstige Entwicklung nicht wiederholen. Andererseits ist angesichts der Aussichten für Stahl und Mineralöl mit wesentlich geringeren Einbußen als in den Vorjahren zu rechnen. Für den Gesamtumschlag ergibt sich daraus eine Stagnation.
Für das Jahr 2024 wird aufgrund der Belebung des Welthandels insbesondere ein Wachstum im Containerbereich stattfinden. Bei den Massengütern muss dann wieder mit stärkeren Bremseffekten vor allem im Kohlesektor gerechnet werden. Saldiert geht die Prognose von einem moderaten Wachstum des Gesamtumschlags in Höhe von 1 % aus. Damit wird das Vorkrisenniveau (290 Mio. t) auch im Jahr 2024 noch um 1,5 % verfehlt. Der Höchststand, der vor der Weltwirtschaftskrise erreicht worden ist (317 Mio. t, 2008), ist deutlich weiter entfernt (10 %).