Die Technische Hochschule Ingolstadt, die LMU Ludwig-Maximilians-Universität, München, und das Elektrotechnik-Unternehmen Burghart GmbH & Co. KG, Schwindegg, entwickelten im Projekt „Netflex“ eine selbstlernende Steuerung für Biogasanlagen, die den Betrieb in Kombination mit Photovoltaik (PV) in punkto Netzdienlichkeit und Wirtschaftlichkeit optimiert. Ein Test an der Praxisbiogasanlage Zellerfeld zeigte, dass das System grundsätzlich erfolgreich arbeitet. Limitierend wirken derzeit noch Prognosefehler bei der Leistungsvorhersage der PV-Anlage.
Das Vorhaben wurde vom BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Berlin, über den Projektträger FNR Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V., Gülzow-Prüzen gefördert.
Flexibilisierte Biogasanlagen könnten noch smarter agieren und das Stromnetz noch besser entlasten, wenn sie sich nicht nur an den Marktsignalen der Strombörse orientieren, sondern auf die lokale Stromerzeugung anderer erneuerbarer Anlagen reagieren. Denn die Börsenpreise werden bundesweit ausgeschrieben und bilden die lokalen Verhältnisse nicht immer korrekt ab. Die im Netflex-Projekt entwickelte Steuerung zielt auf einen solchen netzdienlichen Betrieb von Biogasanlagen, um PV-Anlagen im selben lokalen Stromnetz zu ergänzen. Die Kombination von Biogas und PV findet sich vor allem in Süddeutschland häufig. Kernstück der Steuerung ist der Optimierungsalgorithmus. Er erstellt Einsatzfahrpläne für die Biogas-Blockheizkraftwerke und nutzt als Entscheidungsgrundlage Wetter- und Leistungsprognosen für die PV-Anlagen. Als weitere Steuergrößen berücksichtigt er den Wärmebedarf eines angeschlossenen Wärmenetzes, Speicherfüllstände der Biogasanlage und einen möglichst wirtschaftlichen Anlagenbetrieb. Für die Vorhersage der PV-Leistung entwickelten die Forschenden der LMU ein kamera- und satellitenbasiertes Vorhersagesystem, das Wolken erkennt und deren Bewegung berechnet.
In Simulationen verglich das Netflex-Team verschiedene Betriebsmodi der Steuerung im Hinblick auf Ökonomie und Treibhausgaseinsparung. Im Ergebnis ist es am wirtschaftlichsten, wenn die lokale PV-Anlage optimal ergänzt wird, also möglichst selten abschalten muss, gleichzeitig das Wärmenetz voll versorgt wird und sich die Steuerung ansonsten an maximalen Stromerlösen am Regelenergie- und Spotmarkt orientiert. Für diesen Fall ermittelte das Netflex-Team eine um bis zu 39 % höhere jährliche Kapitalverzinsung im Vergleich zu einer konventionell betriebenen, Grundlast erzeugenden Biogasanlage mit Direktvermarktung. Die Simulationen wurden 2020 durchgeführt, also vor der Hochpreisphase an den Strombörsen. 2022 hätte sich die Wirtschaftlichkeit der Biogasanlage mit Steuerung noch weiter verbessert.
In punkto Treibhausgaseinsparung ergab die Simulation dagegen nur geringfügige Vorteile gegenüber der konventionellen Anlage. Ursache war der Teillastbetrieb mit schlechteren Wirkungsgraden, in dem die Flex-Anlage häufig lief.
Als Herausforderung stellte sich die kurzfristige PV-Leistungsprognose im Minutenbereich heraus. Insbesondere durch die Komplexität der Wolkenbildung kommt es immer wieder zu Abweichungen zwischen der berechneten und der tatsächlichen Einstrahlung. Um Leistungsobergrenzen im Stromnetz einzuhalten, entwickelte das Projektteam eine Optimierungsstufe, die den Leistungsfluss verbessert.
Hintergrund
Der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung findet hauptsächlich dezentral in den Mittelspannungsnetzen für die regionale und in den Niederspannungsnetzen für die lokale Stromverteilung statt. Immer mehr wetterabhängige Windkraft- und PV-Anlagen speisen in diese Netze ein, ohne den zeitlichen Verlauf der Stromnachfrage berücksichtigen zu können. Dies stellt die Betriebs- und Versorgungssicherheit der Netze vor Herausforderungen. Ein Lösungsansatz sind flexible Stromerzeuger. Studien zufolge könnten sie ebenso wie Stromspeicher oder die Steuerung der Stromnachfrage (demand side management) den Netzausbaubedarf erheblich verringern und so Kosten verringern, sofern ihr Betrieb netzdienlich erfolgt. Zu den flexiblen Stromerzeugern gehören entsprechend technisch ausgerüstete („flexibilisierte“) Biogasanlagen. Das Expertennetzwerk Flexperten schätzt, dass bislang erst einige Hundert der insgesamt rund 9.000 Biogasanlagen in Deutschland zu einer netzdienlichen Fahrweise im eigentlichen Sinne in der Lage sind. Noch orientieren sie sich in der Praxis an den Marktsignalen der Strombörse. Die Börsenpreise spiegeln zwar Knappheiten und Überschüsse im Bundesdurchschnitt wider, die lokalen Verhältnisse können davon aber abweichen.
Der Abschlussbericht und weitere Informationen zum Vorhaben „Entwicklung einer selbstlernenden Steuerung zur Integration von Biogasanlagen in Netze mit hohem Anteil fluktuierender Stromerzeuger (Netflex)“ stehen auf fnr.de zur Verfügung.