Interview mit Achim Bothe, Vorstandvorsitzender der Aral: Wir könnten schon rund 1.000 Ladepunkte mehr am Netz haben

Gesch. Lesedauer: 5 Minuten
Digitalisierung & IT, Interviews, Nachhaltigkeit, Tankstellen
Achim Bothe, Vorstandsvorsitzender der Aral AG, im Interview über nachhaltige Mobilität – Innovationen bei Kraftstoffen, Ladeinfrastruktur und Convenience für die Verkehrswen
Foto: Aral AG

Gibt es etwas, das Sie persönlich in Ihrem Alltag verändert haben, um nachhaltiger zu leben?
Privat versuche ich kurze Distanzen mit dem Fahrrad statt dem Auto zurückzulegen. Insbesondere am Wochenende gelingt das ganz gut. Wir prüfen gerade die Nachrüstung einer Solaranlage, eine Regenwasser-Zisterne haben wir auch. Mehrwegsysteme sind ein wichtiger Punkt. Ich nutze gerne den RECUP-Becher, den wir auch an unseren Tankstellen anbieten. Als Aral-Vorstandsvorsitzender setze ich mich außerdem dafür ein, unser Kraftstoffportfolio kontinuierlich zu verbreitern, um auf unterschiedliche Kundenbedürfnisse einzugehen und emissionsärmere Alternativen zu ergänzen. Und natürlich steht auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge im Fokus.

Ende des vergangenen Jahres haben Sie eine neue Formel für Ihren Kraftstoff Aral Ultimate Diesel mit erneuerbarer Komponente eingeführt. Wie sind die Reaktionen der Kunden?
Sehr positiv, wir verzeichnen eine gute Kundenresonanz und wachsende Volumina. Wir bieten die neue Formel für unseren Hochleistungskraftstoff Aral Ultimate Diesel an rund 1.500 Aral-Tankstellen an. Die neue Formel besitzt unverändert Hochleistungseigenschaften wie die höhere Reichweite pro Tankfüllung und die Aral-Anti-Schmutz-Formel, zusätzlich eine höhere Cetanzahl von mindestens 60 und eine hochwertige erneuerbare hydrierte Komponente (HVO). Obwohl die Zahl der Elektrofahrzeuge wächst, wird es noch viele Jahre Verbrenner auf deutschen Straßen geben. Darauf stellen wir uns mit einem breiten Kraftstoffangebot ein. Die Einführung der neuen Formel war ein weiteres Kapitel in unserer über 100-jährigen Markengeschichte und ein Beleg für Qualität und Innovation, für die Aral immer stand und weiterhin steht. Wir haben damit erneut unseren Anspruch belegt, erste Wahl für unsere Kundinnen und Kunden zu sein.
Bleiben wir bei Kraftstoffen. Aktuell führen Sie auch HVO an Ihren Tankstellen ein. Wie ist da der Stand?
Wir bieten Aral HVO derzeit an rund 30 Standorten in Deutschland an. Der Roll-out begann an unseren automatischen Dieselstationen und wurde an Aral-Autohöfen und -Tankstellen fortgesetzt. Aral-HVO ist mit vorhandener Dieselmotorentechnik einsetzbar und viele Lkw- und Bus-Hersteller haben die Freigabe für die Nutzung in immer mehr Fahrzeugen erteilt. Mit Aral-HVO aus hydriertem Pflanzenöl können mindestens 85 % der CO2-Emissionen im Vergleich zu rein fossilem Diesel vermieden werden. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung im Schwerlastverkehr. Der Ausbau des Versorgungsnetzes wird weiter vorangetrieben. Ziel ist es, die wichtigsten Ballungszentren und Transitstrecken in Deutschland mit Aral HVO zu versorgen.

Schon etwas länger sind die Aral-Futura-Kraftstoffe auf dem Markt…
Das ist richtig. Die Aral-Futura-Kraftstoffe haben wir im November 2022 testweise an zwei Stationen eingeführt und die Pilotierung nach ebenfalls positiver Kundenresonanz im vergangenen Jahr auf acht Aral-Tankstellen erweitert. Damit wollen wir die bisher gewonnenen Erkenntnisse mit emissionsärmeren Kraftstoffen in weiteren Regionen Deutschlands vertiefen und sind gespannt auf die weitere Kundenresonanz. Wir brauchen auch Lösungen für den aktuellen Fahrzeugbestand mit Verbrennungsmotor und können hier im Rahmen der geltenden Normen beispielhaft zeigen, wie Emissionen im Straßenverkehr reduziert werden können. Die Aral-Futura-Kraftstoffe vermeiden mindestens 25 % CO2-Emissionen im Vergleich zu rein fossilen Kraftstoffen und sind damit eine zusätzliche Dekarbonisierungsoption für den Straßenverkehr. Erwähnt sei noch, dass Aral auch einer der größten CNG-Anbieter in Deutschland ist, überwiegend mit Biomethan.

bp hat unter dem Titel „A reset bp“ eine fundamentale strategische Neuausrichtung vorgelegt. Welche Konsequenzen hat das für das deutsche Tankstellengeschäft unter der Marke Aral?
Das ist in der Tat ein Neustart für bp. Wir wollen die Investitionen und Produktion im up-stream-Bereich erhöhen und uns im down-stream-Bereich auf Märkte konzentrieren, in denen wir eine führende integrierte Position haben – so wie mit dem Aral-Tankstellennetz. Mit rund 2.400 Tankstellen sind wir unverändert größter Anbieter in Deutschland. Wir wollen erfolgreiche Standorte in erfolgreichen Märkten mit erfolgreichen Angeboten betreiben. Beim ultraschnellen Laden konzentriert sich bp auf vier wichtige Wachstumsmärkte – Großbritannien, USA, China und Deutschland, wo wir mit unserer Marke Aral pulse vertreten sind. Mit dem Ausbau des ultraschnellen Ladenetzes kommen wir gut voran und sind in Deutschland einer der größten Schnellladeanbieter.

Wie ist der Stand bei Aral pulse? Wie viele Ladepunkte betreiben Sie aktuell?
Wir haben inzwischen mehr als 3.500 Ladepunkte an fast 500 Standorten am Netz – größtenteils natürlich an Aral-Tankstellen. Unser Angebot wird von den Kunden sehr gut angenommen, kürzlich konnten wir den fünfmillionsten Ladevorgang an unseren Säulen seit dem Start des Geschäfts Ende 2020 verzeichnen. Aral pulse ist offizieller e-Charge- Partner des ADAC und wurde mehrfach im Connect-Ladenetztest zum besten Schnellladeanbieter Deutschlands gekürt, als einziger Anbieter mit der Note „Sehr gut“. Über die im letzten Jahr eingeführte Aral-pulse-App und -Ladekarte bieten wir unseren Kunden attraktive Konditionen. Wir setzen auf ultraschnelles Laden und damit auf ein Qualitätsprodukt, wie es stets unser Anspruch bei Aral ist. Wir stellen den Kunden Ladeleistungen von bis zu 400 Kilowatt zur Verfügung, dazu unsere Tankstellen-Infrastruktur, Beleuchtung, Personal vor Ort und nicht zuletzt ein attraktives Convenience-Angebot unter der Marke REWE To Go.

Im letzten Jahr haben Sie Ihren ersten Ladepark eröffnet. Kommen da weitere?
Ja. Unser erster reiner Aral-Ladepark steht im Mönchengladbacher Gewerbepark Nordpark, in unmittelbarer Nähe zur A61. Der Ladepark umfasst 14 Ultraschnell-Ladesäulen mit einer Leistung von bis zu 400 Kilowatt. Jede Ladesäule bietet zwei Ladepunkte, was insgesamt 28 Ladebuchten für Elektroautos bedeutet. Wir planen weitere Ladeparks dieser Art u.a. am Hamburger und Berliner Flughafen sowie an der A40 in Bochum. Auf dem Gelände des Ladeparks in Mönchengladbach befindet sich übrigens auch ein Smart Store unter der Marke REWE To Go. Das Sortiment umfasst viele aus dem REWE To Go-Shop bekannte Produkte wie frische Snacks, Klassiker der Unterwegsversorgung, kalte und heiße Getränke. Der Einkauf im Smart Store läuft über ein bargeldloses Zahlmittel, beispielsweise eine Kreditkarte, und unter Einsatz von KI.

Zunehmend gewinnt leistungsfähige Ladeinfrastruktur auch für den Schwerlastverkehr an Bedeutung. Welches Angebot machen Sie Ihren Kunden?
Wir betreiben inzwischen 26 Lkw-Ladestandorte in Deutschland. Mit einem durchgängigen Ladekorridor entlang der Rhein-Alpen-Schiene, dem ersten in Europa, schaffen wir die Basis für die Elektrifizierung der Langstreckenlogistik. Leistungen von bis zu 300 Kilowatt ermöglichen es Lkw-Fahrern, in rund 45 Minuten Strom für bis zu 200 Kilometer zu beziehen. Im Bereich des Lkw-Ladens planen wir sogar Ladesäulen mit einer Leistung von bis zu 1.000 Kilowatt, sogenannte Megawatt-Charger. Wir wollen auch unseren Lkw-Kunden ein einfaches, komfortables und leistungsstarkes Ladeerlebnis bieten. Gemeinsam mit unserem Partner Vattenfall InCharge ergänzt Aral das Angebot durch individuelle Ladeinfrastrukturlösungen für Unternehmen und deren Standorte.

Spielen Behörden und Netzbetreiber beim Ausbau mit? Man hört vielerorts von Problemen…
Das ist leider ein großes Thema für uns. Wir könnten schon rund 1.000 Ladepunkte mehr am Netz haben, wenn Genehmigungs- und Netzanschlussprozesse schneller und einfacher wären und die Behörden und Netzbetreiber den Fuß nicht auf die Bremse, sondern aufs Gas- bzw. Strompedal setzen würden. Unsere zentrale Forderung sind einheitliche Baugenehmigungsregelungen für Trafostationen in allen deutschen Bundesländern. Trafos sind notwendig für die Errichtung von ultraschnellen Ladesäulen und müssen daher von der Genehmigungspflicht befreit werden. Nur Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gehen erste Schritte in diese Richtung. Außerdem fordern wir u.a. standardisierte und digitalisierte Baugenehmigungs- und Netzanschlussprozesse, verbindliche Fristen und einen vorausschauenden Netzausbau, insbesondere für den weiteren Ausbau des Lkw-Ladens. Wir hoffen sehr, dass sich die neue Bundesregierung dieser Probleme annehmen wird.

Was erwarten Sie generell von der neuen Bundesregierung?
Vor allem wünschen wir uns Technologieoffenheit. Wir haben zurzeit 69 Mio. Fahrzeuge in Deutschland, davon rund 49 Mio. Pkw und davon wiederum 1,65 Mio. Elektrofahrzeuge. Das heißt, wir werden noch viele Jahre ein Nebeneinander der Antriebssysteme erleben und müssen an unseren Tankstellen Produkte sowohl für Verbrenner als auch für Elektrofahrzeuge bereithalten, um einen geordneten Übergang im Rahmen der Verkehrswende sicherzustellen. Von der Politik wünschen wir uns daher insbesondere Steueranreize für emissionsärmere Kraftstoffe, damit der Biokraftstoff-Anteil weiter erhöht werden kann. Das abrupte Ende der Förderung für Elektroautos war ebenfalls ein schlechtes Signal für den weiteren Hochlauf der E-Mobilität.

Sie haben REWE To Go schon angesprochen, wo steht Aral mit dem Ausbau?
Mehr als 900 REWE To Go-Shops haben wir inzwischen am Netz, der Ausbau geht fokussiert weiter. Das erfolgreiche Konzept haben wir 2014 eingeführt und seitdem kontinuierlich ausgebaut und weiterentwickelt. Im Convenience-Bereich haben wir uns ja bereits vor einiger Zeit entschieden, unsere unternehmenseigenen Standorte im Agenturmodell zu betreiben, Angebote zu standardisieren und zu vereinheitlichen. Beispielsweise bieten wir in allen REWE To Go-Shops Meal Deals oder Promotionen zu gleichen attraktiven Preisen an und segmentieren unser Netz in unterschiedliche Kategorien. Gemeinsam mit unserem Partner Lekkerland entwickeln wir das Angebot weiter. Wir sind sehr gut aufgestellt – mit der Strahlkraft der Marken Aral und REWE sowie der Supply-Chain-Kompetenz von Lekkerland.

Im letzten Jahr feierte die Aral runden Geburtstag. Wird es in 100 Jahren noch Tankstellen geben?
So weit in die Zukunft kann ich zwar nicht blicken, aber ich sehe insgesamt gute Zukunftsperspektiven für Tankstellen. Das Netz hat sich in den vergangenen Jahren schon deutlich verändert und wird sich weiter verändern. Unser Geschäft steht auf den drei Säulen: Kraftstoffe, ultraschnelles Laden und Convenience, daneben noch zusätzliche Serviceangebote. Als Drehscheibe der Mobilität mit einem differenzierten Angebot und vor allem attraktiven Standorten in zentraler, verkehrsgünstiger Lage können Tankstellen einen wichtigen Beitrag in der Verkehrswende leisten. Die 100-jährige Geschichte von Aral zeigt: Das Tankstellengeschäft stand schon häufiger vor großen Herausforderungen, Transformationsprozessen und disruptiven Veränderungen. Mit dem Fokus auf Qualität, Innovationskraft und Kundenorientierung hat Aral das vergangene Jahrhundert erfolgreich gemeistert. Und wir verstehen wir uns auch weiterhin als Taktgeber und Pionier der Branche.

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