Die Werbeindustrie als Steigbügelhalter der Öl-Industrie

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Fossile Brennstoffe sind nicht Teil der Klimalösung, sondern der größte Treiber der Klimakrise, erklärt Dr. Tillmann Lang, Chief Executive Officer und Mitgründer der Inyova Impact Investing GmbH, Frankfurt, der europaweit führenden digitalen Impact Investing-Plattform. In der Öffentlichkeit hält sich nach wie vor ein völlig falsches Bild über fossile Brennstoffe, das durch die Werbeindustrie als Steigbügelhalter der Ölkonzerne durch konkrete Einflussnahme und irreführende Kommunikation befeuert wird. Um dem entgegenzuwirken, startete die Inyova im Dezember 2022 ihre neue Active-Ownership-Initiative, bei der das französische Unternehmen Publicis Groupe S.A, Paris, das im Inyova-Anlageuniversum vertreten ist, im Fokus steht. Die Publicis, mit mehr als 80.000 Mitarbeitern der drittgrößte Werbedienstleister weltweit, ist nach Aussage von Andreas von Angerer, Head of Impact der Inyova in vielen Bereichen ein gut aufgestelltes Unternehmen. Es verfügt beispielsweise über einen hohen Frauenanteil – sowohl bei der Gesamtbelegschaft als auch im Aufsichtsrat. Neben der WPP plc, London, ebenfalls in der Top-5-Liste der größten Werbeunternehmen, haben sie auch eines der ambitioniertesten Klimaziele der Branche. Doch leider beinhaltet dieses aus Sicht von A. von Angerer nicht die sogenannten beworbenen Emissionen. Mit ihrer Arbeit für die fossile Industrie helfen sie mit, das Bild einer Transformation der Branche zu zeichnen, die aber überhaupt nicht ausreichend stattfindet. Sie tragen damit indirekt dazu bei, dass wichtige kurzfristige Reduktionsziele ignoriert und damit relevante Kipppunkte überschritten werden könnten.

Verzerrung der wahrgenommenen Klimaperformance durch Kommunikation

Ein Beispiel ist das Unternehmen TotalEnergies, dessen Rebranding die Publicis begleitet hat. Unter dem Claim „Die Energiewirtschaft erfindet sich neu, Total wird zu TotalEnergies“ hat das Unternehmen eine Werbekampagne gestartet, um eine klimapositive Marke zu schaffen. Die Fakten zeigen jedoch, dass 70 % der Investments der TotalEnergies SE, Paris, immer noch in fossile Energie gehen, darunter sogar der Bau der weltweit längsten Rohöl-Pipeline. Prognosen zeigen, dass ihre Ölproduktion in 2023 sogar noch einmal ansteigen soll. In der Werbung werden aber nahezu ausschließlich „grüne“ Technologien gezeigt und vage Pläne zur CO2-Reduzierung des Geschäftes vermittelt. Solche Werbung hilft dadurch Firmen wie der TotalEnergies, sich als Teil der Klimalösung zu positionieren, selbst wenn ihr realwirtschaftliches Verhalten dem wissenschaftlichen Konsens zu einem Lösungsweg nicht entspricht. Diese problematische Rolle von Werbeagenturen haben der Weltklimarat und der UN-Generalsekretär bereits erkannt und konkret benannt. Mit Frankreich und Amsterdam gibt es erste Vorreiter auf diesem Gebiet, welche die Werbung für Ölkonzerne, Verbrennerautos und Privatflüge verboten haben, mit dem Ziel, fossilen Unternehmen eine wichtige Plattform zu nehmen.

Active Ownership als Treiber für positiven Wandel

Nach der erfolgreichen Active-Ownership-Initiative im Mai 2022, bei der die Inyova offenlegte, dass die BMW AG, München, aufgrund der fehlenden E-Mobilität-Strategie Gefahr läuft, das „Blackberry der Automobilindustrie“ zu werden, nimmt das Impact-Investing-Start-up als zweiten Bereich die Medienlandschaft ins Visier. Dadurch, dass die Inyova-Impact-Investoren selbst ausgewählte Aktien in ihrem Depot haben, können sie ihre Stimmrechte als Eigentümer bei der Publicis ausüben. Die Inyova hat dafür ein neues Active-Ownership-App-Feature released, welches die Aktionäre nutzen können, um das Engagement mit ihrem Unternehmen zu unterstützen. Die Impact-Investoren erhalten unter anderem umfangreiche Informationen über die Publicis und ihre Rolle beim Klimabild in der Gesellschaft sowie die Möglichkeit, in den Engagement-Dialog einzutreten bis zur Teilnahme an der Abstimmung auf der Publicis-Hauptversammlung. Weniger Verfügbarkeit von Greenwashing-Möglichkeiten für Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft durch ein Nein der Werbewirtschaft zu diesen Industrien könnte den Druck auf diese Unternehmen erhöhen, sich um echte, glaubwürdige Veränderungen zu bemühen, erklärt A. von Angerer das Ziel der neuen Active-Ownership-Aktivität.

Große Risiken, aber auch Chancen, für Publicis

Kreatives Talent ist die wichtigste Ressource in der PR- und Werbebranche. Insbesondere die jüngeren Generationen erwarten von ihrem Arbeitgeber gesellschaftlich und sozial vorbildliches Verhalten, berichtet A. von Angerer. Laut ihm hat die Publicis Groupe die Möglichkeit, das Risiko eines Reputationsverlustes, das durch die erhöhte Aufmerksamkeit auf Tätigkeiten für Ölkonzerne entsteht und bei der Agentur Edelman GmbH, Frankfurt, bereits eingetreten ist, in eine Chance umzuwandeln: Und zwar indem sie zur ersten der vier großen Agenturen wird, die klar Nein dazu sagt und damit ihre Attraktivität für die junge Generation von Kreativen stark erhöht.

Als neue Generation von Anlegern übernehmen die Inyova-Investoren Verantwortung, führt T. Lang aus. Einer der Mechanismen, über den ihre Impact-Investments auf Portfoliounternehmen Einfluss nehmen können, ist die aktive Beteiligung. Dazu zählt der Dialog mit Unternehmen, die sich im Portfolio der Anleger befinden, um den nachhaltigen Wandel gemeinsam konstruktiv zu diskutieren. Wesentlich ist außerdem das Voting, bei dem die Aktionäre ihre Stimmrechte bei der Hauptversammlung der Portfoliounternehmen wahrnehmen und damit direkt zentrale Entscheidungen beeinflussen. Wer in passive Fonds und ETFs investiert, hat diese Option der Einflussnahme auf Portfoliounternehmen nur äußerst selten.

Publicis nutzt Chancen aktuell nicht

Generell ist die Publicis weniger exponiert hinsichtlich ihrer Umsätze aus der Energiebranche (lediglich 3 % des Umsatzes). Neben der TotalEnergies war die Publicis auch für die Saudi Aramco Oil Co., Dhahran, tätig. Im aktuellen Jahresbericht zählen sie die ADNOC Abu Dhabi National Oil Company zu ihren Hauptkunden. Die Publicis Sapient, Boston, eine Tochtergesellschaft der Publicis, wirbt aktiv mit Serviceleistungen, welche durch Personalisierung helfen sollen, an Tankstellen mehr Benzin verkaufen zu können und versprechen konkret 20 % bis 30 % mehr Umsatz.

Auch Kampagnen für die Automobilindustrie zahlen auf die Darstellung der Hersteller als sogenannte Changemaker ein. Der Werbespot für Jeep „Nature is in our Nature” zeigt auf sehr bizarre Art und Weise eine vermeintliche Verbindung zur Natur eines Unternehmens, das mit seinen Verbrennermotoren direkt zur Klimakrise und damit auch zum Verlust der Artenvielfalt beiträgt, kommentiert A. von Angerer. Die Publicis zeichnet ebenfalls für die Sustainability-Initiative von Mercedes-Benz verantwortlich, in dessen Image-Video die Kernbotschaft darin besteht, dass die Fabriken des Unternehmens 2022 ihren Strom aus erneuerbarer Energie beziehen. Komplett unterschlagen wird an dieser Stelle, dass mehr als 70 % der Emissionen aus Verbrennungsmotoren in der Nutzungsphase stammen.

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