Mitte vergangener Woche hat die eFuels Forum GmbH, Hoya, eine Mitteilung herausgegeben, die mit verschiedenen Vorurteilen zum Thema E-Fuels aufräumen soll. Das eFuels Forum ist eine Informationsplattform rund um das Thema E-Fuels, die inzwischen von über 30 mittelständischen Mineralölhändlern aus ganz Deutschland und dem Technologiegeber Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH unterstützt wird.
Mythos #1: „E-Fuels (PtL-Kraftstoffe) sind ineffizient“
E-Fuels sind ineffizient – dieser Mythos ist wohl das am meisten verbreitete Argument gegen den Einsatz von Power-to-Liquid-Kraftstoffen (PtL). Zur Unterstützung der Aussage verwenden Kritiker und Medien gerne Grafiken, die auf unrealistischen und unvollständigen Annahmen beruhen. Doch was bedeutet eigentlich „Effizienz“ in diesem Zusammenhang? Auf welche Eigenschaften bezieht sie sich und wann ist sie von Bedeutung? Im folgenden Text, der in Zusammenarbeit mit Fachleuten und Wissenschaftlern des KIT Karlsruher Institut für Technologie und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) entstanden ist.
Die meisten Effizienzbetrachtungen beziehen sich lediglich auf den Elektromotor ohne Betrachtung des Gesamtsystems vor und nach dem Motor. Außerdem basieren sie auf der unrealistischen Annahme einer industriellen E-Fuels-Produktion in Deutschland. Die Analyse der Systemeffizienz muss jedoch immer auf realistischen und ganzheitlichen Annahmen beruhen. Die Grafik des KIT bildet diese Gesamtsystemeffizienz ab. Dabei wird das Elektroauto mit einem Verbrennerfahrzeug verglichen, das mit E-Fuels betrieben wird. Wichtig: Die Systemeffizienz erstreckt sich vom Windstoß bis zum drehenden Rad (well-to-wheel, wtw) und nicht nur vom Motor zum Rad (tank-to-wheel, ttw). Denn ein Elektroauto kann ohne vortransformierten Strom nicht fahren. Und auch das Drehmoment des E-Motors muss auf die Räder übertragen werden.
Bei der Betrachtung der Gesamtsystemeffizienz ist wichtig, wo der „grüne“ Strom produziert wird. Entweder fährt ein Elektroauto mit ineffizientem deutschen „Grünstrom“. Dann gleicht die hohe Effizienz des Elektromotors die Verluste der Stromproduktion aus. Oder Deutschland importiert „grüne“ Energie aus Regionen, in denen sich „Grünstrom“ sehr effizient „ernten“ lässt. Die Gesamtsystemeffizienz bewegt sich in beiden Fällen auf ähnlichem Niveau.
Photovoltaikstrom erreicht in Deutschland eine Nutzungseffizienz von lediglich 10,5 % (Quelle: statistisches Bundesamt, 1. Halbjahr 2021). In sonnenreichen MENA-Ländern (Middle East and North Africa) wie zum Beispiel in Marokko und Algerien liegt die Nutzungseffizienz doppelt so hoch. Bei Windkraft sieht die Sache ähnlich aus: In Deutschland erreichen Windanlagen gemittelt eine Nutzungseffizienz von rund 22 %. An der Nordsee ist es mit rund 30 % etwas mehr, in Süddeutschland liegt der Wert etwas niedriger bei rund 17 %. Dagegen erreicht ein Windrad in Patagonien rund 75 %. Denn dort ist der Wind so stark, dass sogar die Bäume schief wachsen. Chile verfügt über 70 mal mehr „grüne“ Energie als das Land selbst braucht und möchte diese gern exportieren.
Effizienz ist eigentlich nur relevant, wenn ein Mangel an einer Ressource besteht. Weltweit gibt es jedoch keinen Mangel an „grüner“ Energie, sehr wohl aber in Deutschland.
Die Grafik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zeigt, dass es weltweit keinen Mangel an „grüner“ Energie gibt. Alleine Photovoltaik könnte den Energiebedarf der ganzen Erde auf geringster Fläche realisieren. Diesen „Grünstrom“ muss man dann nur noch transport- und lagerfähig machen. Dies geschieht dadurch, dass man den Strom zunächst in Wasserstoff umwandelt und dann daraus durch die Hinzugabe von CO2 ein E-Fuel produziert. Daher erklärt sich auch der Name des synthetischen Kraftstoffes: electro based fuel. E-Fuels sind also als Wasserstoffderivat nichts anderes als verflüssigter und damit transportfähiger „Grünstrom“. Man könnte auch den Wasserstoff selbst transportieren. Dies ist aber sehr teuer, denn Wasserstoff muss stark gekühlt und unter Druck gehalten werden. Außerdem diffundiert Wasserstoff als das leichteste Element auf der Erde schnell durch Transportleitungen, was die Verbringung vor ein weiteres Problem stellt.
Letztlich ist es also gar nicht so wichtig, wie effizient E-Fuels in der Herstellung sind. Sie müssen nur dort produziert werden, wo kein Mangel an regenerativer Energie herrscht. Zum Vergleich: Eine E-Fuels-Produktion nach der herkömmlichen Fischer-Tropsch-Methode in Deutschland wäre ungefähr so sinnvoll, wie eine Orangenplantage in Deutschland. E-Fuels werden aus demselben Grund in sonnen- und windreichen Ländern hergestellt.
Die Effizienzfrage lässt sich auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten: Hinsichtlich der Kosten-, Zeit- und Ressourceneffizienz ist es am sinnvollsten, die vorhandenen Fahrzeuge und die vorhandene Infrastruktur kohlendioxidneutral zu stellen. Im Gegensatz zur Elektromobilität ist bereits alles da. Über 99 % der weltweit rund 1,4 Mrd. Autos haben einen Otto- oder Dieselantrieb. Die Senkung der CO2-Emissionen der Bestandsflotte leistet folglich den größten und schnellsten Beitrag für den globalen Klimaschutz im Verkehrssektor.
Im Gegensatz dazu benötigt die Elektromobilität eine komplett neue Infrastruktur mit hohem Ressourcenbedarf und einem entsprechend hohen CO2-Footprint. Außerdem bedarf der Bau der sehr schweren Elektroautos zusätzlicher Ressourcen, was zu einem weiteren erhöhten CO2-Footprint führt (CO2-Rucksack). Schließlich hat Deutschland einen sehr großen Energieimportbedarf von 70 %, sodass ohnehin „grüne“ Moleküle in Form von Kraftstoffen importiert werden müssen. Die flüssige Form ist aufgrund der hohen Energiedichte notwendig, weil dann die Transportentfernung praktisch keine Rolle spielt (hohe Transporteffizienz). Wenn die „grünen“ Moleküle im Land sind, ist es effizienter, diese direkt in stromunabhängigen Systemen wie Verbrennungsmotoren und Ölheizungen zu nutzen anstatt diese erst verlustreich in Strom umzuwandeln und gegebenenfalls unter weiteren Verlusten in Batterien zwischenzuspeichern.
Mythos #2: „E-Fuels werden teuer sein“
Wissenschaftliche Institute wie die darauf spezialisierte reFuels-Gruppe im KIT rechnen damit, dass E-Fuels in einigen Jahren bezahlbar sein werden. Auch Hersteller wie zum Beispiel Saudi Aramco kommunizieren, dass in wenigen Jahren 80 Cent erreichbar sind, da in Saudi-Arabien der Strompreis bei nur 1 Cent/kWh liegt. Für einen zeit- und kosteneffizienten Klimaschutz ist der marktwirtschaftliche Kundenimpuls unerlässlich.
Mythos #3: „E-Fuels sollten nur im Schiffs- und Flugverkehr eingesetzt werden“
Eine Beschränkung auf die vergleichsweise kleinen und kostensensiblen Sektoren Schiff- und Flugverkehr würde den Hochlauf von E-Fuels behindern. Außerdem entstehen bei der Herstellung von Flugkraftstoff automatisch auch Kraftstoffe für den Straßenverkehr als Koppelprodukte. Wenn also über eine optimale Ressourcennutzung nachgedacht wird, sollten die synthetischen Nebenprodukte wie E-Benzin, E-Diesel und E-Heizöl, die bei der Produktion von E-Kerosin als Nebenprodukt entstehen, ebenfalls genutzt werden.
Weitere regenerative, synthetische Krafstoffe
Strombasierte E-Fuels gehören zur Gruppe der regenerativen, synthetischen Kraftstoffe. Weitere synthetische Kraftstoffe, die ebenfalls erdölfrei hergestellt werden, sind reststoff- und abfallbasierte Kraftstoffe wie zum Beispiel Hydrogenated Vegetable Oils (HVO). Diese Kraftstoffe werden schon heute sehr effizient in Europa und Nordamerika hergestellt. Entsprechend der Analogie mit den Orangen und E-Fuels sind diese Kraftstoffe mit Äpfeln vergleichbar, die ohne großen Aufwand in Deutschland hergestellt werden können.