VERBIO-Chef Claus Sauter sieht neuen Dieselskandal: Fake-Biodiesel aus China überschwemmt deutschen Markt

Gesch. Lesedauer: 3 Minuten
Mobilität & Kraftstoffe
Claus Sauter, Vorstandsvorsitzender der VERBIO, fordert harte Regelungen für „grüne“ Importe aus China.
Foto: Verbio

China überschwemmt den deutschen Markt mit riesigen Mengen Biodiesel, der vermutlich aus Palmöl hergestellt wird. Dieser wird in China zu besonders nachhaltigem „grünem“ Kraftstoff aus Reststoffen umetikettiert – diesen Verdacht teilt Claus Sauter, Vorstandsvorsitzender der VERBIO Vereinigte BioEnergie AG, Zörbig, mit anderen Branchenexperten.

Seiner Meinung nach ist das ein neuer Dieselskandal. Diesesmal wird nicht die Hardware manipuliert, sondern der Kraftstoff. Am Ende leiden nicht nur die Biokraftstoffproduzenten, sondern die gesamte „grüne“ Industrie in Deutschland, wenn dem nicht Einhalt geboten wird.

In der aktuellen Ausgabe seines Podcasts #strohklug findet C. Sauter deutliche Worte.

Über das Ausmaß des Skandals und die Folgen für den deutschen Markt
Derzeit ist Biodiesel in Europa der bedeutendste Biokraftstoff. Dabei ist in Deutschland und der EU Palmöl als Rohstoff nicht mehr gewünscht. Dementsprechend wird hier seit Anfang dieses Jahres Biodiesel aus Palmöl nicht mehr auf die Quote zur Reduktion von Treibhausgasen angerechnet. Im Gegensatz dazu gilt Biodiesel aus Reststoffen als besonders klimafreundlich und wird sogar doppelt auf die in Deutschland von den Mineralölgesellschaften zu erfüllende Treibhausgasverminderungsquote angerechnet.

C. Sauter und die Branche beobachten, dass plötzlich große Mengen fortschrittlicher Biodiesel aus China kommen. Die Chinesen bieten diesen zum halben Preis an, obwohl allein die Frachtkosten aus China nach Europa 20 % des Produktpreises ausmachen.

Allein im Januar 2023 kamen mehrere tausend Tonnen von diesem vermeintlich fortschrittlichen Biodiesel aus Frittenfett von China nach Europa. Nach Meinung von C. Sauter gibt es weder die Anlagen noch die Mengen an Reststoffen für fortschrittliche Biokraftstoffe in China und das ist ein Problem: Ein großer Spieler spielt mit unfairen Mitteln.

Weil hier der besondere Anreiz der Doppelanrechnung besteht, fließt der größte Teil dieser umetikettierten Ware im Moment nach Deutschland, erklärt C. Sauter. Das hat gravierende Auswirkungen auf den gesamten Markt, nicht nur auf die Industrie, sondern auch auf den landwirtschaftlichen Markt und damit auf die Bauern. Vor Jahresfrist kostete Raps ungefähr 1.000 Euro/t, jetzt rund 450 Euro/t, das macht einen Preiseinbruch von rund 50 %.
Laut C. Sauter besteht derzeit die Gefahr, dass ein Großteil der Frittenfett verarbeitenden und auch Reststoffe verarbeitenden Biodiesel-Produzenten in Europa pleitegehen und so dieser Teil der Wertschöpfungskette genauso wie damals bei Solar und Wind an die Chinesen verloren wird. Das führt dazu, dass derzeit vor allem den Produzenten von Biodiesel aus Frittenfett und Reststoffen die Wirtschaftsgrundlage entzogen wird.

Warum die VERBIO einen Vorteil im schwierigen Marktumfeld hat
Die VERBIO ist vom aktuellen Biodiesel-Skandal nicht direkt betroffen, denn das Unternehmen nutzt Raps bzw. Rapsöl als Rohstoff zur Herstellung hochwertiger Nebenprodukte im Prozess. Beispielsweise wird in Zahnpasta Glyzerin von VERBIO verwendet, welches hohen Qualitätsanforderungen entsprechen muss.

Außerdem ist die VERBIO inzwischen deutlich breiter und international aufgestellt und technologisch nach eigenen Angaben führend. C. Sauter betont in diesem Zusammenhang besonders die Kenntnis des US-amerikanischen Markts.

Wie der aktuelle Skandal auch andere Industriezweige gefährdet
Aus Sicht von C. Sauter bleibt es nicht beim Biodiesel. Jedes Produkt mit fossilem Zwilling wird interessant sein. Als Beispiel bringt er Wasserstoff, der aus russischem Gas hergestellt wurde an, den Chinesische Firmen nach Europa bringen und als „grün“ deklarieren. Die Umstellung der Industrie in Europa und auch in Deutschland auf kohlendioxidarme Varianten, birgt die Gefahr, dass „grüne“ Fake-Produkte made in China auftauchen. Das würde die Abhängigkeit von China verstärken.

Fehlende Kontrollen und Konsequenzen:
An sich ist das Kontroll-System in Deutschland und Europa gut. Zertifizierungsunternehmen prüfen stichprobenmäßig welche Roh- und Reststoffe die Produzenten einsetzen, wo diese herkommen, unter welchen Bedingungen der Biodiesel produziert wird, wie viel Energie dafür aufgewendet wird – und ob zum Beispiel die VERBIO überhaupt technologisch in der Lage ist, bestimmte Rohstoffe zu verarbeiten. Doch dieses System muss auch gelebt werden, betont C. Sauter. Bei Fake-Biodiesel aus China ist das anders. Entscheidend ist, welche Rohstoffe zum Einsatz kommen, und das kann nur vor Ort kontrolliert werden. Genau das passiert aber im Moment nicht.

C. Sauter fordert daher Konsequenzen. Die fraglichen Mengen aus China dürfen nicht auf die Erfüllung der THG-Quote in Deutschland angerechnet werden, solange der eingesetzte Rohstoff nicht vor Ort eindeutig geprüft und zertifiziert werden kann.

Darüber hinaus braucht es höhere Hürden für die Importeure: beispielsweise eine Lizenz für den Import, die an die Erfahrung des Importeurs und finanzielle Bürgschaften gekoppelt ist. Wichtig sei außerdem, dass die Prüfenden bei Zertifizierungsunternehmen und Kontrollbehörden zweckmäßig ausgebildet sind: Hier braucht man künftig Ingenieure, welche die technologischen Anforderungen verstehen.

Die Politik ist jetzt gefordert
Mit Blick auf die Politik fordert C. Sauter, dass es harte Regeln braucht und diese auch umgesetzt werden müssen. Das gilt nicht nur für die deutschen und europäischen Produzenten, sondern genauso für Importe.

Beitrag teilen:

Neueste Artikel