An drei Tagen trafen sich 440 Teilnehmende aus 26 Ländern, die führende Markenhersteller, Chemie- und Materialunternehmen und die deutsche und niederländische Regierung vertraten, sowie die Europäische Kommission mit den Generaldirektionen Grow, Clima, Environment und RTD. Wie in den Vorjahren waren die Teilnehmenden sehr zufrieden: Hochwertige und aktuelle Inhalte in 80 Vorträgen, vertiefende Diskussionen in zehn Workshops, eine Ausstellung, die Wahl des „Renewable Material of the Year 2024“, umfangreiche Netzwerk-Möglichkeiten während der Konferenz und den drei Abendveranstaltungen, eine insgesamt professionelle und angenehme Atmosphäre („special spirit“).
Botschaften der Konferenz
Die Sprecherinnen und Sprecher betonten die Bedeutung der Umstellung auf nachhaltige und erneuerbare Materialien und die Notwendigkeit, Scope-3-Emissionen zu bekämpfen. Ökobilanzen und Kohlenstoff-Fußabdrücke sind topaktuelle Themen.
Die Industrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Die verschiedenen Unternehmensstrategien werden durch ein klares Bekenntnis zu bio- und kohlendioxidbasierten Lösungen in Verbindung mit Recycling vereint, um Kohlenstoff im Kreislauf zu halten und langfristig keinen fossilen Kohlenstoff mehr zu benötigen. Die industrielle Produktion muss in Zukunft völlig neugestaltet werden, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden.
Auf der Konferenz wurden viele neue Produkte und Anlagen vorgestellt, deren Entwicklung erst durch die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette möglich wurden. Im Mittelpunkt der Konferenz standen zum einen typische petrochemische Bausteine wie Naphtha oder Ethylen, die inzwischen auch durch Biomasse, CO2, Pyrolyse oder Gasifizierung hergestellt werden.
Andererseits gibt es völlig neue Lösungen wie Füllstoffe aus Lignin, Glucopolymere oder Polyöl und PUR aus Rapsöl. Es gibt viele neuartige Pfade, insbesondere für Feinchemikalien, Körperpflegemittel, Beschichtungen und Klebstoffe oder auch neue hochwertige Snackverpackungen, die 50 % recycelten Kunststoff enthalten und die strengen Anforderungen an den Kontakt mit Lebensmitteln erfüllen.
Ein immer wiederkehrendes Thema in den Vorträgen war, dass es in Europa, im Gegensatz zu den USA oder China, derzeit keinen geeigneten politischen Rahmen gibt, um den Übergang zu erneuerbarem Kohlenstoff in der Chemie- und Materialbranche zu unterstützen. In zwei Workshops wurde erörtert, welche Instrumente der EU zur Verfügung stehen sollten, um die chemische Industrie umzustellen und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Obwohl der biologische Abbau in Europa im Gegensatz zu China oder anderen asiatischen Ländern kein großes Thema ist, sind die wichtigsten Methoden zum Verständnis des biologischen Abbaus inzwischen etabliert. Zum ersten Mal kann der Verbleib des Kohlenstoffs in einem biologisch abbaubaren Polymer mithilfe isotopenmarkierter Polymere sehr genau nachverfolgt werden, um zu zeigen, dass der Kohlenstoff als CO2 und in mikrobieller Biomasse endet. Eine neue Technik, bei der fluoreszenzmarkierte Materialien verwendet werden, kann ein für alle Mal beweisen, dass zertifizierte kompostierbare Materialien kein Mikroplastik hinterlassen. Diese Fortschritte im wissenschaftlichen Verständnis des biologischen Abbaus können für künftige Vorschriften genutzt werden, um Verpflichtungen zur Verwendung biologisch abbaubarer Materialien für Anwendungen zu entwickeln, bei denen die Materialien mit einem hohen Risiko in die Umwelt gelangen.
Innovation Award “Renewable Material of the Year 2024”
Zum vierten Mal wurde der Innovationspreis „Renewable Material of the Year“ für die Entwicklung neuer Technologien und Anwendungen vergeben, der alle Lösungen für nachwachsende Rohstoffe in einem Wettbewerb vereint – von der Biomasse- und CO2-Nutzung bis zum Recycling. Sechs Innovationen wurden von einer Fachjury aus 38 Einreichungen nominiert. Nach 10-minütigen Präsentationen der Nominierten wählten die Teilnehmenden den Gewinner. Der Innovationspreis wurde von der nova-Institut GmbH, Hürth, organisiert und von der Covestro AG, Leverkusen, gesponsert.
Die drei Gewinner
1. Platz: Again, Kopenhagen – Essigsäure und andere Chemikalien aus CO2
Durch die Kombination von Jahrtausende alten Bakterien mit modernster Biotechnologie fermentiert die Again CO2-Abfallströme direkt aus Rauchgas zu kohlendioxidbasierten Basischemikalien wie Essigsäure. Das neuartige Biomanufacturing-Verfahren der Again fängt unvermeidbare Kohlenstoffemissionen aus der Industrie ein und nutzt sie zur Herstellung von Basischemikalien, für die es derzeit nur wenige oder keine umweltfreundlichen Alternativen gibt – und defossilisiert so einige der schwierigsten Wertschöpfungsketten der Welt. Das Biomanufacturing-Verfahren der Again stellt einen Paradigmenwechsel dar, da es die energie- und kostenintensive CO2-Abscheidung und -Reinigung überflüssig macht.
2. Platz: Reselo AB, Stockholm – Reselo-Kautschuk – Kautschuk aus 100 % Birkenrinde
Die Reselo reagiert auf den Bedarf an alternativen, nicht-fossilen Kautschukpolymeren, der durch externen und internen Druck in der Kautschukindustrie entstanden ist. Die Verringerung der Klimagasemissionen der Materialindustrien hat Priorität: Jedoch gab es bisher nur wenige Innovationen für nachhaltigere Lösungen, insbesondere im Gummisegment. Reselo-Rubber ist daher eine sehr attraktive Entwicklung, da es zu 100 % aus Birkenrinde, einem Abfallstrom aus der Forstwirtschaft, hergestellt wird. Das Polymer kann in bestehenden Anlagen verarbeitet werden und ist mit den gängigen Vulkanisationssystemen, Elastomeren und Additiven kompatibel. Reselo-Rubber wird derzeit in einer Reihe von Anwendungen in Zusammenarbeit mit globalen Unternehmen eingesetzt, um nachhaltigere Produkte auf den Markt zu bringen.
3. Platz: VAUDE Sport GmbH & Co. KG, Tettnang – Erstes Polyester-Textilprodukt auf Holzbasis
Bisher wurde recyceltes PET für Textilien bevorzugt, doch die Kritik daran wächst. Mit diesem ersten Meilenstein zeigt die VAUDE in Zusammenarbeit mit der UPM (Finnland), dass es möglich ist, neue europäische bio-basierte Quellen zu erschließen. Das in diesem Demonstrator verwendete MEG wird aus Holzabfällen hergestellt und ist als Drop-in-Lösung ohne Qualitätsverlust konzipiert. Das Ziel für die kommerzielle Version ist eine zu 100 % bio-basierte Lösung, die neben bio-basiertem MEG auch vollständig bio-basierte, aufgereinigte Terephthalsäure (PTA) enthält. Die VAUDE demonstriert einen skalierbaren kommerziellen Ansatz für erneuerbares PET und zeigt, was eine solche Lösung bedeuten könnte.