Interview mit Uli Kiendl von ryd: Langfristig betrachtet, wird die Tankstelle von morgen sowieso eine völlig andere sein

Gesch. Lesedauer: 5 Minuten
Digitalisierung & IT, Interviews
Uli Kiendl: Der neue CEO bei der ryd beschäftigt sich aktuell intensiv mit Erfahrungsberichten der Nutzer, um sich einen Eindruck zu verschaffen, wie die Services weiter optimieren werden können.
Foto: ryd

Der neue Chief Executive Officer bei der ryd GmbH, München, U. Kiendl, will das FinTech-Unternehmen auf ein neues Level bringen. Welche Rolle Tankstellen seiner Meinung nach künftig einnehmen werden, auf wie viele Partnertankstellen das Unternehmen bis Ende des Jahres kommen will und auf welche Herausforderungen sich der ryd-Chef besonders freut, verrät er im Interview mit dem eot.

U. Kiendl verfügt über diverse Erfahrungen im Aufbau von Unternehmen im Fintech-Bereich und digitaler Plattformen, zum Beispiel bei der SPENDIT AG oder der PAYBACK GmbH, beide München. Seit dem 1. Juli dieses Jahres ist er der neue CEO des nach eigenen Angaben Betreiber des größten offenen B2C-Netzwerks für mobiles Bezahlen an der Zapfsäule in Europa.

Mit Ihrer App können die Kunden direkt an der Zapfsäule bezahlen. Das ist bequem für die Kunden und spart Zeit. Doch was haben Tankstellenbetreiber davon? Diese haben schließlich ein großes Interesse daran, dass die Tankkunden auch in ihren Shops einkaufen.
U. Kiendl: Vorneweg: Wir sehen uns absolut nicht als Konkurrent des Tankstellenshops. Ganz im Gegenteil. Wir sind Partner der Tankstellen. Dienstleistung und Service werden – gerade in Tankstellenshops – immer stark im Fokus stehen. Convenience-Angebote und Produkte rund um die Autopflege gehören für sehr viele Autofahrer:innen zum Einkaufserlebnis an der Tankstelle. Wer Frostschutz, Scheibenreiniger oder Motoröl benötigt, wird immer in den Shop gehen. Genau wie diejenigen, die sich nach dem Tanken noch ein Snickers oder einen Kaffee mitnehmen möchten. Gleiches gilt für Menschen, die die Tankstelle in ihrer Funktion als Nahversorger oder Fachhändler – zum Beispiel für Zeitschriften und Tabakwaren – aufsuchen. Auch das gastronomische Angebot an Tankstellen hat in den letzten Jahren sehr an Qualität und Vielfältigkeit zugelegt und erfreut sich daher zunehmender Beliebtheit.

Wo wir von ryd ins Spiel kommen: Wir unterstützen Tankstellen mit unserer Plattform dabei, neue Nutzergruppen für sich zu gewinnen. Etwa solche, die nur digital bezahlen wollen oder den Tankvorgang besonders schnell abschließen möchten. Zudem können Tankstellen perspektivisch ihr Serviceangebot im Convenience-Bereich ausbauen, beispielsweise indem sie über das ryd Ökosystem neue Bezahlmethoden wie PayPal bereitstellen. Das Bezahlverhalten der Menschen wandelt sich. Corona war und ist dabei ein Katalysator, der die Nachfrage nach kontaktlosen Bezahlalternativen bei Konsument:innen enorm gesteigert hat. Tankstellen bieten mit ryd genau solch eine moderne Zahlungsmöglichkeit an und heben sich damit von der Konkurrenz ab.

Langfristig betrachtet, wird die Tankstelle von morgen sowieso eine völlig andere sein. Sie wird sich zum Mobility- und Versorgungs-Hub entwickeln. Das beinhaltet unter anderem E-Ladesäulen, E-Fuel- und Wasserstoff-Zapfsäulen. Die Tankstelle wird sich überdies zum zentralen Anlaufpunkt für ganze Quartiere wandeln, beispielsweise, weil es dort eine Packstation oder einen Haltepunkt für Kurierdienste gibt. Parallel wird es vielfältige Angebote in den Bereichen Gastronomie, Einzelhandel oder auch Autowäsche geben. Diese werden perspektivisch noch einmal an Bedeutung gewinnen, weil die Verweildauer an Tankstellen zunehmen wird. Denken Sie an Kund:innen, die auf die Ladung ihres E-Autos warten und währenddessen etwas essen und trinken möchten. Oder an das Thema Vorbezahlung – auch bekannt als Click-&-Collect. Das kennen wir in Deutschland bisher ja eher von Möbelhäusern oder Supermärkten. In anderen Ländern ist es heute oft schon möglich, den Kaffee aus dem Auto heraus beim Tankstellen-Shop zu ordern, vorab zu bezahlen und dann abzuholen.

In Zukunft werden Tankstellen so alle möglichen Servicedienstleistungen rund ums Auto anbieten und digital für die Kund:innen nutzbar machen. ryd steht in diesem Zusammenhang für ein flexibles, digitales und offenes Ökosystem, das nicht auf Tankungen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor begrenzt ist. ryd wird diesen Wandel begleiten. So werden wir die Mobilität beim Individualverkehr durch unser offenes Technologieangebot und digitale Bezahlmöglichkeiten nachhaltig vereinfachen.

Künftig könnte es an Tankstellen vermehrt so laufen, dass nicht einmal mehr über eine App bezahlt wird, sondern mit dem Auto selbst. Für wie nah halten Sie diese Zukunft und inwieweit will die ryd dabei mitspielen?
U. Kiendl: Es entspricht heute schon in vielen neueren Fahrzeugen mit Bordcomputer der Realität, dass Autofahrer:innen ihren Sprit via In-Car-Payment bezahlen können. Wir bieten zusammen mit unserem Partner Mercedes bereits Lösungen dieser Art in vielen Modellen ab dem Baujahr 2018 an. Darüber hinaus bedienen sich bereits diverse Drittanbieter unseres digitalen Ökosystems. Dazu gehören etwa Navigationssysteme und andere Smartphone-Apps. An der Tankstelle der Zukunft wird es verschiedene Technologielösungen geben, mit denen Tankungen und Ladungen bezahlt werden können. Jede:r Nutzer:in wird dabei selbst wählen, was ihr/ihm am liebsten ist – klassisch mit Bargeld oder Karte im Shop, digital per App oder direkt in-car. Ich bin absolut zuversichtlich, dass wir dank der Offenheit und Flexibilität unserer Plattform dabei in sehr vielen Bereichen auf den vorderen Rängen mitspielen werden.

Aktuell ist die ryd in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien, Niederlande, Luxemburg sowie Dänemark aktiv. Und Sie haben bekannt gegeben, dass weitere europäische Länder das ryd-Netzwerk künftig ergänzen sollen. Welche Roll-outs planen Sie noch und was sind die strategischen Überlegungen dahinter?
U. Kiendl: Natürlich wollen wir in neue Länder expandieren. In Dänemark starteten wir kürzlich beispielsweise mit rund 240 Shell-Tankstellen und bereiten derzeit Kampagnen zum Markteintritt vor. Bisher können Autofahrer:innen ihren Sprit in sechs Ländern mit ryd bezahlen. Wir arbeiten neben dem Start in Dänemark aktuell am diesjährigen Roll-out zweier weiterer Länder. Bis Ende des Jahres werden wir die Anzahl der ryd-Partnertankstellen vervierfachen – von europaweit 2.500 auf mehr als 10.000.

Wir schauen uns den europäischen Raum gerade sehr genau an, um Strategien für weitere Roll-outs auszuarbeiten. Ab dem kommenden Jahr werden wir diese Länder dann sukzessive angehen. Ein erfolgreicher Roll-out erfordert eine akribische Vorbereitung. Es ist wichtig, sowohl die Nutzer:innen als auch die Tankstellenbetreiber und die Marktstrukturen zu verstehen, um ab dem Start wirkungsvolle Kommunikations- und Marketingmaßnahmen einzusetzen.

Genauso wichtig wie der Roll-out in weiteren Ländern ist für uns die Skalierung in Zielmärkten, die wir bereits bedienen. Wir schließen stetig neue Partnerschaften mit Tankstellenbetreibern in diversen Ländern, um unsere Verfügbarkeit weiter auszubauen. ryd ist kein reines Start-up mehr. Inzwischen haben mehrere große Equity-Partner, darunter AXA, bp, Mastercard und Mercedes-Benz in uns investiert und damit unsere Qualität bestätigt. Wir streben weitere Schritte in die Professionalisierung an, um zu skalieren.

Konkret verfolgen wir dabei die Strategie der „Market Readiness“. Das bedeutet, so flächendeckend wie möglich verfügbar zu sein. Bis Ende des Jahres werden wir beispielsweise 100 % geografische Abdeckung in Deutschland erreichen. Autofahrer:innen können ryd dann an rund 4.000 – das entspricht 40 % – der hiesigen Tankstellen nutzen. Ein wichtiger Schritt dorthin ist der Roll-out an den 2.400 Aral-Tankstellen in der zweiten Jahreshälfte. Darüber hinaus gilt es, länderspezifische Kundenbedürfnisse zu identifizieren und zu adressieren. Einige Länder setzen beim Tanken auf Prepay-, wieder andere auf Postpay-Verfahren. Ebenso gibt es viele verschiedene lokale Zahlungsmethoden. Was haben die Nutzer:innen davon, wenn ihnen ein Produkt angeboten wird, das nicht in ihren Alltag und zu ihren Gewohnheiten passt?

Neben neuen Roll-outs und dem Ausbau bestehender Länder identifizieren wir weitere Branchen, die zum Geschäftsmodell von ryd passen, um daraus neue Strategien und Opportunities ableiten zu können.

Seit Juli dieses Jahres sind Sie der neue CEO und wollen mit Ihrem Team „das nächste Kapitel unserer Erfolgsgeschichte aufschlagen“. Was haben Sie persönlich konkret für neue Pläne?
U. Kiendl: Als neuer CEO ist mein primäres Ziel, die Firma weiterzubringen, zu professionalisieren, Prozesse und Strukturen zu optimieren – kurz gesagt: ryd auf ein neues Level zu heben. Konkret bedeutet dies für mich, meinen Fokus in diesem Jahr besonders auf die Skalierung unseres bestehenden Netzwerks in Europa zu setzen, bestehende Partnerschaften mit Mineralölhändlern und Tankstellenbetreibern zu intensivieren sowie neue strategische Kooperationen bei E-Ladesäulen und im Mobility-Umfeld, etwa beim In-Car-Payment, aufzubauen. Eine besonders schöne Herausforderung, auf die ich mich sehr freue, stellt der bereits erwähnte Roll-out bei Aral dar. Ich beschäftige mich gegenwärtig zudem intensiv mit Erfahrungsberichten unserer Nutzer:innen, um mir einen Eindruck zu verschaffen, wie wir unsere Services weiter optimieren können. Beispielsweise bieten wir ab August auch die Registrierung via Google und Apple sowie das Bezahlen über Google Pay/Apple Pay an.

Wir werden auch personell weiter wachsen. ryd ist viel mehr als nur ein digitales Produkt. Hinter ryd stehen Menschen, die jeden Tag alles geben, um unsere Lösungen voranzutreiben. Darauf bin ich sehr stolz und möchte dies verstärkt nach außen tragen, um so weitere engagierte und kreative Köpfe für ryd zu begeistern.

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