GEA und Infraserv: Carbon Capture Pilotanlage im Industriepark Höchst

Gesch. Lesedauer: 3 Minuten
Energie, Nachhaltigkeit, Unternehmen
Die Carbon Capture-Pilotanlage wurde an die Klärschlammverbrennungsanlage (KVA) von Infraserv Höchst angeschlossen, eine der größten und modernsten ihrer Art in Deutschland.
Foto: Infraserv GmbH & Co. Höchst KG

Die Infraserv GmbH & Co. Höchst KG, Frankfurt, hat an der Klärschlammverbrennungsanlage des Industrieparks Höchst eine Carbon Capture-Pilotanlage erfolgreich in Betrieb genommen, um Daten und Erfahrungen zur Machbarkeit der CO2-Abtrennung aus Rauchgasen zu gewinnen. Die Pilotanlage lieferte die GEA Group AG, Düsseldorf, ein weltweit führender Anbieter von Prozesstechnologien und nachhaltigen Industrielösungen. Die Infraserv Höchst mietet die Anlage für einen Zeitraum von drei Monaten an.

Dr. Joachim Kreysing, Geschäftsführer der Infraserv Höchst, erklärt, dass Pilotanlagen dieser Art unverzichtbar sind, um das Verfahren zu testen und notwendige Daten zu sammeln. Dies ist die Voraussetzung dafür, perspektivisch eigene, größere Carbon-Capture-Anlagen im Industriepark Höchst betreiben zu können. Carbon Capture kann laut J. Kreysing einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Transformation des Standorts leisten, wenn die technischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen stimmen. Carbon Capture trägt dazu bei, CO2-Emissionen zu reduzieren, fossile Ressourcen zu schonen und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Ziel ist im Industriepark Höchst die besten Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Kunden den Weg in Richtung Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Dazu gehören auch die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten von CO2. Die Infraserv sondiert den Markt kontinuierlich, um mögliche Abnehmer von abgetrenntem CO2 zu identifizieren.

Abtrennung von CO2 aus Rauchgasen ist herausfordernd
Im Rahmen des Projektes wird an der Klärschlammverbrennungsanlage von Infraserv Höchst ein Teilstrom des Rauchgases am Kamin entnommen, um in der Pilotanlage das darin enthaltene CO2 herauszuwaschen und abzuscheiden. Dies stellt eine besondere Herausforderung dar, da das Rauchgas einer Verbrennungsanlage viele unterschiedliche Bestandteile enthält. Daher ist die Testphase entscheidend, um Erfahrungen zu sammeln und die Machbarkeit der CO2-Abtrennung hinsichtlich verschiedener Parameter zu prüfen. So werden Daten zur Abtrennrate, der Reinheit des CO2, der Zersetzung des Waschmittels, mit dem das CO2 gebunden und abgetrennt wird, und des Energiebedarfs ermittelt. Dr. Sirko Ogriseck, Projektleiter der Infraserv Höchst, erklärt, dass es im Kern um die Bewertung des Energiebedarfs, der Effizienz und der Kosten einer großtechnischen Abscheidungsanlage an einer Verbrennungsanlage geht. Die Klärschlammverbrennungsanlage wurde bewusst gewählt, da ein Teil des CO2 biogenen Ursprungs ist. Perspektivisch möchte die Infraserv dieses CO2 an Start-ups liefern, damit sie es gemeinsam mit kohlenstoffarmen Energien wie „grünem“ Wasserstoff und „grünem“ Strom in ihren Synthesen einsetzen können. Biogenes CO2 spielt eine zentrale Rolle bei der Carbon Capture and Utilization (CCU), also der chemischen Nutzung von Kohlendioxid, weil es im Gegensatz zu fossilem CO2 als klimaneutral gilt – es stammt aus nachwachsenden Rohstoffen und wurde zuvor durch Pflanzen der Atmosphäre entzogen. Dadurch ermöglicht biogenes CO2 die klimaneutrale Herstellung von chemischen Produkten, Kraftstoffen und Materialien, deren CO2-Bilanz ansonsten negativ wäre, und unterstützt die Transformation der chemischen Industrie hin zu einer treibhausgasneutralen Kreislaufwirtschaft.

Der Prozess der CO2-Abscheidung durch die GEA-Pilotanlage
An der KVA wird ein Teilstrom des Rauchgases am Kamin entnommen. Dieses Rauchgas wird in die Pilotanlage geführt. Bei der CO2-Abscheidung mit Aminen wird das CO2 aus dem Rauchgas herausgewaschen, erläutert Michael Schneider, R&D Engineer Carbon Capture Solutions der GEA, den Prozess der CO2-Abscheidung. Das Rauchgas wird dazu mit einer Flüssigkeit, einem Amin-Wasser-Gemisch, in Kontakt gebracht, welche das CO2 aufnimmt. Anschließend wird diese Flüssigkeit erhitzt, sodass das CO2 wieder freigesetzt wird. Das aus dem Rauchgas abgetrennte CO2 wird auf seine Reinheit untersucht und parallel Betriebsdaten der CO2-Abtrennung gesammelt. Nach der Abscheidung in der Pilotanlage könnte das CO2 gereinigt und weiterverarbeitet werden, was aber nicht Teil des Projektes ist. Aktuell wird das CO2 nach der Behandlung in der Pilotanlage wieder zurück in den Kamin der KVA geführt, so M. Schneider weiter.

Abgeschiedenes CO2 für die Produktion synthetischer Kraftstoffe
Für die Infraserv Höchst ist das Thema „Carbon Capture and Utilization (CCU)“ nicht neu. Bereits vor einigen Jahren wurde das an der Biogasaufbereitungsanlage des Industrieparks abgetrennte CO2 im Forschungsprojekt ICO2CHEM gemeinsam mit Partnern zu emissionsfreien Ölen und Wachsen weiterverarbeitet. Mittlerweile liefert die Infraserv dieses CO2 an die nach Unternehmensangaben größte Power-to-Liquid-Pionieranlage Europas von der INERATEC GmbH, Karlsruhe, die jüngst in Betrieb genommen wurde. In dieser Anlage wird CO2 in Kombination mit Wasserstoff zu synthetischen Kraftstoffen, wie zum Beispiel E-Kerosin, umgewandelt.

Förderung durch EU-Projekt IS2H4C
Die Carbon Capture-Pilotanlage wird maßgeblich durch das von der EU geförderte Projekt IS2H4C (From Industrial Symbiosis to Hubs for Circularity) finanziert. In vier europäischen Regionen, unter anderem auch im Industriepark Höchst, werden Konzepte für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft entwickelt und modellhaft erprobt. Das Projekt setzt dabei auf industrielle Symbiosen, bei denen Unternehmen Ressourcen, Energien und Infrastrukturen teilen, um die Effizienz zu steigern und Emissionen zu reduzieren.

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