Erneuerbare Energien haben im Jahr 2022 insgesamt 47 % des Bruttostromverbrauchs gedeckt. Das zeigen vorläufige Berechnungen des ZSW Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, Stuttgart, und des BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V., Berlin. Damit ist der Anteil um 5 %-Pkt. im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Für den Zuwachs verantwortlich waren vor allem der windreiche Jahresbeginn mit Rekordwerten in der Stromerzeugung aus Windenergie an Land und die sonnigen Sommermonate. Auch bei Windenergie auf See und Biomasse gab es leichte Zuwächse.
Nach Einschätzung von Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, sind für eine sichere, unabhängige Energieversorgung der Zukunft Investitionen in Erneuerbare, aber auch in Speicher, Netze und wasserstofffähige Gaskraftwerke unabdingbar. Jede zusätzliche Kilowattstunde erhöht die verfügbare Menge Strom und kann künftig beitragen, die Versorgung zu sichern. Der Ausbau der Erneuerbaren muss daher nicht trotz, sondern wegen der aktuellen Krise weiter vorangetrieben werden. Das bedeutet vor allem: mehr Flächen für Windenergieanlagen und PV-Anlagen, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie bei der Photovoltaik eine deutliche Verbesserung der Regeln für Prosuming, Mieterstrom und Energy sharing. Gleichzeitig müssen die Netze für einen steigenden Anteil erneuerbarer Energien fit gemacht werden. Deutschland kann sich nach Meinung von K. Andreae aus dieser Krise nur herausinvestieren.
Laut Prof. Dr. Frithjof Staiß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des ZSW, sind es in der aktuellen Situation vor allem produzierende Unternehmen auf der Nachfrageseite, die mit erheblichen Investitionen in erneuerbare Energien vorangehen. Dies geschieht nicht nur, um kurzfristig die Auswirkungen der Energiepreiskrise auf das eigene Geschäft zu reduzieren, sondern auch, um sich langfristig gegen steigende Preise abzusichern und Lieferabhängigkeiten zu vermeiden. Zusammen mit den vielfältigen Aktivitäten zum Erreichen einer klimaneutralen Produktion macht dies aktuell die Unternehmen zu einer treibenden Kraft für den Klimaschutz.
Aber auch F. Staiß mahnt, dass es jetzt an der Politik ist, mit der Festlegung des rechtlichen Rahmens das Marktumfeld schnellstens so zu gestalten, dass eine hohe Ausbaudynamik ermöglicht wird. Das betrifft die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, aber auch den Aufbau der Produktionskapazitäten für Elektrolyseanlagen für „grünen“ Wasserstoff sowie die Infrastrukturen für Strom- und Wasserstoffnetze oder Betankungs- und Schnelllademöglichkeiten für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben.
Die Erzeugungszahlen im Einzelnen
Insgesamt wurden im Jahr 2022 nach vorläufigen Berechnungen rund 574 Mrd. kWh Strom erzeugt – rund 2 % weniger als im Jahr 2021 (2021: 585 Mrd. kWh). Davon stammten 256 Mrd. kWh aus Erneuerbaren Energien (2021: 237,1 Mrd. kWh): Windkraftanlagen an Land machten mit 99 Mrd. kWh den größten Anteil der regenerativen Stromerzeugung aus (2021: 90,6 Mrd. kWh). Photovoltaikanlagen lieferten rund 62 Mrd. kWh (2021: 51,4 Mrd. kWh), dicht gefolgt von Biomasse (einschließlich des biogenen Anteils der Siedlungsabfälle) mit rund 47 Mrd. kWh (2021: rund 45,4 Mrd. kWh). Rund 25 Mrd. kWh Strom stammten aus Windenergieanlagen auf See (2021: 24,4 Mrd. kWh). Wasserkraftanlagen lieferten rund 18 Mrd. kWh (2021: 19,4 Mrd. kWh).
Ökostromanteil: Zwei Berechnungsmöglichkeiten
Den Ökostromanteil am Bruttostromverbrauch zu bemessen, ist die gängige Berechnungsgrundlage. Sie geht zurück auf europäische Vorgaben und steht im Einklang mit den Zieldefinitionen der Bundesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Bruttostromverbrauch bildet das gesamte Stromsystem eines Landes ab und beträgt nach vorläufigen Berechnungen 2022 rund 547 Mrd. kWh (2021: 564,2 Mrd. kWh).
Eine andere Möglichkeit ist, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung zu messen. Sie umfasst die gesamte in Deutschland erzeugte Strommenge, also auch die exportierten Strommengen. Der Anteil erneuerbarer Energien im Jahr 2022 auf Basis der Bruttostromerzeugung beträgt rund 45 % (2021: 40,5 %).