Dunkelflaute? Biogas kann die Hälfte der Stromlücke schließen

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Bio
Hermann Josef sowie Ulrike und Hermann Benning vor dem mit Graffiti gestalteten Behälter ihrer Biogasanlage in Reken-Hülsten.
Foto: FNR/privat

Bei der Energiewende geht es meist um Sonne und Wind – Biogasanlagen werden hier nur am Rande wahrgenommen. Dabei produzieren sie Strom und außerdem Wärme flexibel und wetterunabhängig. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es nach Auskunft der FNR Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V., Gülzow-Prüzen, rund 1.100 solcher Anlagen in der Landwirtschaft, die unstete andere erneuerbare Quellen wie Sonne und Wind ergänzen könnten. Bundesweit lassen sich laut Expertenschätzungen bis zu 50 % des verbleibenden Strombedarfs durch Biogas decken. Auch die Politik hat das erkannt. Doch viele Anlagenbetreiber kämpfen noch mit rechtlichen Hürden – wie Familie Benning in Reken-Hülsten (Kreis Borken).

Auf dem Benninghof sind erneuerbare Energien heute die Leistungsträger. Schweine und Rinder machten ab dem Jahr 2000 zwei Windrädern und einer Biogasanlage Platz. Doch jetzt mussten die Bennings das älteste ihrer insgesamt fünf Blockheizkraftwerke (BHKW), die das Biogas in Strom und Wärme umwandeln, abschalten. Für das Aggregat, aufgestellt im Nachbarort Maria Veen, endete 2024 der 20-jährige Vergütungszeitraum gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).

Kein Ersatz mehr für fossiles Erdgas
In der Folge sind die Wärmeabnehmer im Ort, darunter das Kloster und das Gymnasium, gezwungen, zur Wärmeversorgung wieder auf fossile Energie umzuschwenken – rund 700 MWh Erdgas hatte die Biogaswärme zuvor jedes Jahr ersetzt. Auch die 1.300 MWh Biogasstrom, die das BHKW pro Jahr ins Netz einspeiste, gilt es jetzt zu ersetzen.

Soweit sollte es eigentlich nicht kommen, Bennings hatten sich deshalb 2023 an einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, Bonn, für eine Anschlussförderung beteiligt. Sie erhielten jedoch eine Absage. Damit sind sie nicht allein: Seit 2023 sind die Biogasausschreibungen überzeichnet, das Ausschreibungsvolumen war immer deutlich geringer bemessen als die Leistung der Anlagen, die aus dem EEG fallen. Auch bei der letzten Runde im Oktober 2024 gingen zwei Drittel der Bewerber leer aus. Damit entfallen nicht nur erneuerbare Wärmemengen, sondern auch wetterunabhängige Stromkapazitäten.

Dunkelflaute? Biogas springt ein
Um die schwankende Stromerzeugung aus Wind und Sonne auszugleichen, setzte die Politik lange Zeit vor allem auf neue fossile Gaskraftwerke und perspektivisch auf „grünen“ Wasserstoff. Biogas kam als Lösung für die sogenannte Dunkelflaute kaum vor. Dabei könnte Biogas laut einer 2024 veröffentlichten Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bis 2040 rund die Hälfte der fehlenden Stromkapazität für die Zeiten bereitstellen, in denen der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Und das wesentlich günstiger und klimafreundlicher als Reservekraftwerke, die bis zur Wasserstoff-Praxisreife fossiles Gas verbrennen. Das vom BMEL Bundeslandwirtschaftsministerium, Bonn/Berlin, geförderte Vorhaben „Visuflex“ (visuflex.fnr.de) zeigt, wie zuverlässig technisch nachgerüstete Biogasanlagen schon heute in der Stromlücke einspringen. Mit der Wärme aus Biogasanlagen ließen sich außerdem Schätzungen zu folge rund 2 Millionen Haushalte in Deutschland versorgen.

Diese Möglichkeiten überzeugten schließlich auch die Politik: Das kurz vor Weihnachten beschlossene und Ende Februar dieses Jahres in Kraft getretene Biogaspaket sieht erhebliche Verbesserungen für Biogasanlagen vor, die den Strom flexibel immer dann einspeisen, wenn der Bedarf hoch ist. Damit haben jetzt auch die Bennings eine neue Chance. Sie wollen den Standort Maria Veen für die flexible, bedarfsgerechte Stromerzeugung weiterentwickeln und bei einer der nächsten Ausschreibungsrunden wieder mitbieten.

Rechtliche Unsicherheit
Bei welcher Ausschreibungsrunde ist allerdings ungewiss. Denn noch hat die EU-Kommission das neue Gesetz nicht genehmigt und es könnten noch viele Monate vergehen, bis es so weit ist. Damit verstreicht wertvolle Zeit für die Energiewende, nicht zuletzt auch für die im Wärmebereich, wo besonderer Handlungsbedarf besteht. Hermann-Josef Benning sieht sich durch die aktuelle Rechtssituation gelähmt.

Laut Dr. Claudius da Costa Gomez, Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes Biogas, sind erfreulich viele Betreiber jetzt mit dem Biogaspaket bereit, zu investieren und damit noch mehr Verantwortung für das Energiesystem zu übernehmen. Auch er betont die Wichtigkeit einer zeitnahen EU-Genehmigung dafür und betont, dass das Paket eine gute Übergangslösung für die nächsten zwei Jahre ist. Danach braucht es für die vielen jüngeren Biogasanlagen eine Anschlussregelung.

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