Das Konjunkturbarometer des DIW Berlin Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung liegt im Juni bei 92,5 Punkten. Damit hat es den Rückschlag vom Mai 2024 weggesteckt, als der Barometerwert nach mehreren Anstiegen in Folge einbrach. Von der neutralen 100-Punkte-Marke, die für ein durchschnittliches Wachstum der deutschen Wirtschaft steht, ist das DIW-Konjunkturbarometer aber nach wie vor ein gutes Stück entfernt.
Für Geraldine Dany-Knedlik, Leiterin des Bereichs Prognose und Konjunkturpolitik im DIW Berlin, dürfte sich die verhaltene Erholung der deutschen Wirtschaft, die seit Jahresbeginn beobachtet werden kann, jetzt aber immerhin Stück für Stück fortsetzen und an Fahrt gewinnen.
Positiv wirkt sich die anziehende Binnennachfrage aus, die durch die niedrigere Inflation und die höheren Löhne angeschoben wird. Auch die Anfang Juni dieses Jahres von der Europäischen Zentralbank beschlossene Leitzinssenkung stützt die Entwicklung. Die Weltwirtschaft, die zuletzt unterdurchschnittlich expandiert hat, wird jetzt allmählich in Schwung kommen, was die zuletzt kräftig gestiegenen deutschen Ausfuhren im Laufe des Jahres stützen dürfte.
Ein Risiko für den Außenhandel ist neben den Kriegen und geopolitischen Konflikten insbesondere der Handelsstreit zwischen der Europäischen Union und China. Die Fußball-Europameisterschaft dürfte insgesamt nur geringe positive Effekte auf die deutsche Wirtschaft haben. Aufgrund des Hochwassers in einigen Regionen Deutschlands kam es zu vereinzelten Produktionsstörungen, die aber gesamtwirtschaftlich nur wenig ins Gewicht fallen.
In der Industrie bleiben die Aussichten verhalten, wenngleich die Talsohle wohl durchschritten ist. Das Geschäftsklima ist aber nach wie vor gedämpft, die Geschäftserwartungen gingen zuletzt sogar wieder etwas zurück – ein kräftiger Aufschwung ist also noch nicht zu erwarten.
Laut Laura Pagenhardt, DIW-Konjunkturexpertin, ist die Auftragslage der deutschen Industrie weiter angespannt – der Auftragsbestand sinkt und die Neuaufträge haben sich bis jetzt kaum berappelt. Bis sich die sinkenden Zinsen und der behutsame Aufschwung der Weltwirtschaft in merklichen Zuwächsen bei der Industrieproduktion niederschlagen, dürfte es noch etwas dauern.
Leichte Anzeichen für eine weitere Erholung gibt es derweil bei den Dienstleistungen. Umfragen legen nahe, dass sich die Kauflaune der Menschen verbessert hat. Die Einzelhandelsumsätze erholen sich aber erst zaghaft von ihren Tiefständen des vergangenen Winters. Angesichts der bisherigen Konjunkturschwäche ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt alles in allem weiter bemerkenswert gut.
Die deutsche Wirtschaft dürfte nach Einschätzung von DIW-Konjunkturexperte Guido Baldi nach der Energiekrise und dem Inflationsschub der letzten zwei Jahre zwar das gröbste überstanden haben, Euphorie ist für ihn aber noch nicht ausgebrochen. Ein neuer Unsicherheitsfaktor sind die vor kurzem stattgefundenen Wahlen in Frankreich, die die künftige politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa unberechenbarer machen.