Der VDI Verein Deutscher Ingenieure e. V., Düsseldorf, ruft die Bundesregierung auf, den im Koalitionsvertrag fest verankerten Wasserstoffhochlauf schnell mit konkreten Maßnahmen anzustoßen. Dazu präsentiert der Verein zwei Maßnahmenpakete und konkrete Handlungsempfehlungen.
Trotz klar formulierter Ziele zur Förderung von „grünem“ Wasserstoff der Bundesregierung ist in der Praxis bislang zu wenig passiert – so lautet das Fazit beim Pressegespräch im Rahmen der VDI-Initiative „Zukunft Deutschland 2050“ vergangene Woche. Für VDI-Direktor Adrian Willig liegt das in erster Linie an fehlendem Pragmatismus und einer Überregulierung beim Einsatz von Wasserstoff. Der Koalitionsvertrag beinhaltet zwar einige positive Signale – darunter schnellere Genehmigungsverfahren – dennoch ist vieles noch zu unkonkret. Als Beispiel dafür nennt A. Willig die weitere Förderung von Wasserstoffnutzung und Erzeugung durch die Reduktion der Abgabenlast.
Prof. Michael Sterner, VDI-Wasserstoffexperte und Professor an der OTH Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg, bekräftigt, dass die „Champagnerdiskussion“ rund um den Einsatz von Wasserstoff nicht ins Klimaziel führt. Werden die Hürden weiter so hoch gesteckt, das keiner springt, kommt Deutschland nicht voran. M. Sterner ist sich sicher: Wenn das vor 25 Jahren beim EEG so gehandhabt worden wäre, gäbe es die Photovoltaik in dieser Form heute nicht: es wäre alles im Keim erstickt worden.
Der VDI liefert mit seinen Handlungsempfehlungen und Maßnahmenpaketen fundierte, praxisnahe Vorschläge für einen beschleunigten Wasserstoffhochlauf. Die Maßnahmen adressieren sowohl das Mengen- als auch das Erlösrisiko innerhalb des Wasserstoffhochlaufs.
Henne-Ei-Problem beim Hochlauf
Der Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft scheitert nach Meinung von M. Sterner aktuell am Henne-Ei-Problem: Sowohl potenzielle Erzeuger als auch Anwender von „grünem“ Wasserstoff und seiner Derivate werden mit substanziellen Abnahme- beziehungsweise Versorgungsrisiken sowie hohen Erlösrisiken konfrontiert. VDI-Direktor A. Willig bekräftigt dies, indem er eine koordinierte politische Unterstützung fordert, die jetzt beide Risiken gezielt adressiert – und das über 2030 hinaus.
VDI-Maßnahmenpakete für Politik und Wirtschaft
Im Rahmen der VDI-Initiative ist ein Zukunftsdialog Wasserstoff mit namhaften Experten entstanden. Vorsitzender des Dialogs ist M. Sterner, Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung. Stakeholder über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg wurden an einen Tisch gebracht – darunter Vertreter aus Behörden, Infrastruktur, Anwendung und Erzeugung.
Das erste Maßnahmenpaket zielt darauf ab, die Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff zu fördern und ihn wettbewerbsfähig gegenüber fossilen Energieträgern zu machen. Derzeit stammen laut Energieversorgungsunternehmen nur rund 5 % des in Deutschland produzierten Wasserstoffs aus erneuerbaren Quellen. Das zweite Paket stärkt die industrielle Nachfrage, beispielsweise durch den Aufbau eines Handels mit „grünem“ Wasserstoff.
Zu den weiteren Ergebnissen zählen 28 Einzelmaßnahmen in Form von Steckbriefen. Die Empfehlungen reichen von Steuervergünstigungen über gezielte Förderinstrumente wie Differenzkostenmodelle bis zu einer Weiterentwicklung der THG-Quote und Grüngasquote.
„Grüner“ Wasserstoff ist laut dem Expertengremium ein Schlüssel zur Defossilisierung der Industrie. Außerdem benötigten schwer elektrifizierbare Prozesse – beispielweise in der Luft- und Schifffahrt sowie im Schwerlastverkehr – Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe als klimaneutrale Alternative. Für die saisonale Speicherung erneuerbarer Energien – Stichwort „Dunkelflaute“ – ist Wasserstoff und Power-to-X ebenfalls unerlässlich.
Planungssicherheit und wettbewerbsfähige Preise
Wettbewerbsfähige Preise und Planungssicherheit für industrielle Unternehmen bilden nach dem Energieexperten M. Sterner die Basis. Preis- und Abnahmegarantien helfen dem Hochlauf. Nur wenn Unternehmen verlässlich mit Wasserstoff planen können, investieren sie in die nötige Infrastruktur und Technologien.
Der VDI ruft Politik und Wirtschaft auf, die vorgelegten Empfehlungen zu nutzen und den Wasserstoffhochlauf systematisch zu gestalten. Der VDI-Direktor erklärt, dass die Empfehlungen des VDI bereitstehen. Das Know-how soll genutzt werden, damit aus Visionen endlich Wirklichkeit wird.