Wie sich Deutschland und die EU aus Rohstoffabhängigkeiten lösen können

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International
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Deutschland ist von Rohstoffimporten extrem abhängig – und vulnerabel: Die Wirtschaft ist zu über 90 % auf entsprechende Importe angewiesen. Auch EU-weit sieht die Lage nur wenig besser aus. Außerdem ist die Konzentration auf wenige Lieferländer alarmierend hoch, die darüber hinaus oft keine Demokratien sind. Dies ist das Ergebnis einer Analyse des DIW Berlin Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. Laut Lukas Menkhoff, Leiter der Abteilung Weltwirtschaft im DIW Berlin und Studienautor, hat Russland uns in diesem Jahr drastisch vor Augen geführt, wie die Rohstoffabhängigkeit von autokratischen Regimen als politisches Druckmittel benutzt werden kann und welche schwerwiegenden wirtschaftlichen Konsequenzen diese Abhängigkeit hat. Den Handlungsdruck zur sicheren Versorgung mit Rohstoffen hat auch die Bundesregierung erkannt. Für das Frühjahr 2023 hat sie einen Aktionsplan angekündigt.

Für die Studie haben die Autoren die Importabhängigkeit Deutschlands und der EU bei 30 kritischen Rohstoffen unter die Lupe genommen. Als kritisch gelten Rohstoffe laut EU-Kommission, wenn sie ökonomisch wichtig sind, ihr Angebot aber gleichzeitig als riskant eingestuft wird, wie Seltene Erden, Magnesium, Lithium, Kobalt oder Bauxit. Anhand des Voice-and-Accountability-Index der Weltbank haben die Forscher außerdem analysiert, wie es um die demokratische Lage der Lieferländer steht. Die Kombination extremer Konzentration kritischer Anbieter mit einem zwingenden Importbedarf der deutschen und europäischen Wirtschaft ist für Studienautor Marius Zeevaert sehr beunruhigend.

Kombination verschiedener Maßnahmen scheint angemessen

Die Lieferrisiken sind gerade bei dringend benötigten Rohstoffen extrem hoch. Mineralische Rohstoffe wie Seltene Erden, Lithium und Magnesium werden vor allem in Industrien benötigt, die als zukunftsträchtig gelten, wie die Auto- und Mobilfunkproduktion oder die Energiewirtschaft, was die Rohstoffnachfrage um ein Vielfaches steigen lassen wird. Seltene Erden und Magnesium bezieht die EU derzeit zu mehr als 90 % von China. Bei Lithium ist die Abhängigkeit mit einem Importanteil von 63 % von Chile sehr groß. Eine Diversifizierung der Lieferstaaten liegt zunächst nahe: Bei allen drei kritischen Rohstoffen könnte die Versorgung auch auf andere Länder ausgeweitet werden. Seltene Erden könnten zusätzlich über Brasilien, Indien und Australien bezogen werden, Lithium über Australien, China und Argentinien. Das kurzfristige Diversifizierungspotenzial ist wegen der großen Mengen aber nur begrenzt.

Es ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen erforderlich, die am besten alle gleichzeitig vorangetrieben werden sollten, empfiehlt M. Zeevaert. Neben der Diversifizierung der Lieferländer schlagen die Autoren vor, die Lagerhaltung um verpflichtende Mindestreserven zu ergänzen und die Beschaffung relevanter Rohstoffe europaweit zu bündeln, um der Marktmacht der wenigen Anbieter etwas entgegenzusetzen. Längerfristig kann die Sicherheit der Rohstoffversorgung erhöht werden, indem Rohstoffimporte teilweise ersetzt werden. Dazu gehört ein verbessertes Recycling. Weiter können eigene Produktionsmöglichkeiten stärker genutzt werden. Gerade Magnesium und Lithium ließen sich auch in der EU abbauen. Darüber hinaus lassen sich technische Innovationen fördern, die den Einsatz kritischer Rohstoffe reduzieren oder sogar komplett ersetzen. Durch alle genannten Maßnahmen würden zwar auch die Kosten der Rohstoffe steigen, aber Deutschland würde stark an Versorgungssicherheit gewinnen – vor allem dann, wenn die Länder der Europäischen Union kooperieren würden, schlussfolgert L. Menkhoff.

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