Wasserstofftankstellen: Mit Digitalisierung den Ausbau der Infrastruktur vorantreiben

Gesch. Lesedauer: 3 Minuten
Forschung & Entwicklung, Politik, Tankstellen, Wasserstoff
V.l.: Prof. Dr. Benjamin Wagner vom Berg, Prof. Dr. Miriam O‘Shea.
Foto: Daniela Schimrigk

Die deutschen Treibhausgasemissionen sollen deutlich sinken, darauf hat sich die Bundesregierung verständigt. Um dies zu erreichen, muss auch der Verkehrssektor seinen Beitrag leisten. Obwohl Pkw und Lkw immer effizienter werden, steigen hier die CO2-Emissionen. Der Grund: die zunehmende Zahl an Kraftfahrzeugen. „Grüner“ Wasserstoff könnte speziell im Güterverkehr eine klimafreundliche Alternative zu fossilen Treibstoffen sein, sofern eine entsprechende Infrastruktur an Wasserstofftankstellen vorhanden wäre. Aktuell sind die Antragsverfahren dafür sehr unübersichtlich. Forschende des Smart Mobility Institutes an der Hochschule Bremerhaven haben die Prozessabläufe umfassend analysiert. Aus ihren Ergebnissen konnten ein standardisierter Prozess und ein digitaler Demonstrator als Entscheidungshilfe entwickelt werden, die künftig Anwendern das Antragsverfahren vereinfachen sollen.

Welche rechtlichen Grundlagen für die Zulassung einer Wasserstofftankstelle gelten, hängt unter anderem davon ab, wo sie gebaut werden sollen: integriert in eine bestehende Tankstelle, eigenständig, mobil oder auf einem Betriebshof? Auch die geplante Speichermenge ist ein wichtiges Kriterium. Dies macht die Genehmigungsprozesse sehr komplex und intransparent. Ziel war es, eine konkrete Orientierungs- und Entscheidungshilfe basierend auf Parametern, Grenzwerten und typischen Tankstellen-Konfigurationen für die verschiedenen Erlaubnis- und Genehmigungsverfahren zu entwickeln. Diese sollen die Anträge für alle Beteiligten vereinfachen und im besten Fall damit deutlich beschleunigen, erklärt Dr. Wagner vom Berg, der gemeinsam mit Dr. Miriam O’Shea für das Projekt „Wasserstofftechnologie Business Process Management Modeling“, kurz H2BPMM, verantwortlich ist. Neben den Projektleitenden und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Dipl.-Ing. Uta Kühne gehören aktuell die zwei Studenten Can Celen und Sven Renken zum Projektteam.

Um die komplexen Abläufe des Antragsverfahrens verständlich abzubilden, nutzen die Forschenden Prozessmodelle. Dabei werden die einzelnen Schritte identifiziert, beschrieben und für eine bessere Übersicht grafisch dargestellt. So lässt sich auch herausfinden, ob das Verfahren vereinfacht und möglicherweise Standardisierungen für die Antragsprozesse geschaffen werden können. Dies könnte sowohl den Antragsstellern als auch den Behörden die Arbeit erleichtern. Neben einer detaillierten Literaturrecherche und Dokumentenanalyse sprachen die Forschenden mit zuständigen Ämtern, Unternehmen und weiteren Einrichtungen, um herauszufinden, wie die Genehmigungsverfahren derzeit ablaufen. Dabei war zu beachten, dass es keine einheitliche Vorgehensweise bei der Erlaubnis und Genehmigung von Wasserstofftankstellen gibt. Dadurch ist der aktuelle Genehmigungsprozess kaum verständlich in einem Ablaufmodell darstellbar. Aus den gesammelten Informationen wurde aus diesem Grund eine abstrakte Darstellung in Form einer strategischen Prozesskette zu den grundsätzlichen Prozessabläufen und der zeitlichen Aufeinanderfolge der einzelnen Prozessschritte als Erstinformation für Antragstellende und Behörden erstellt. Diese liefert die Basis für einen standardisierten IST-Prozess für das Erlaubnisverfahren nach Betriebssicherheitsverordnung, so Projektleiterin M. O’Shea.

Für verschiedene Konfigurationen von Wasserstofftankstellen haben die Forschenden die damit verbundenen Erlaubnisverfahren analysiert und nach Möglichkeiten zur Vereinfachung der Verfahren gesucht. Eine detaillierte Modellierung der Prozessabläufe erfolgte dabei mit dem Open-Source-Tool „Camunda“. Um die Informationsflüsse zu identifizieren und mögliche Dopplungen aufzudecken, wurden die Informationsbedarfe nach Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die Elemente des standardisierten IST-Prozesses gegenübergestellt. Dies bildet die Grundlage für die Erstellung einer Informationsflussmatrix. Erlaubnisverfahren nach BetrSichV stellen derzeit laut U. Kühne das häufigste Verfahren bei Wasserstoff-Tankstellen dar. Die Forschenden haben sich angesehen, welche Informationen von den Antragstellenden eingefordert werden und in welcher zeitlichen Abfolge diese bereitgestellt werden müssen. Daraus wurde gemeinsam mit C. Celen und S. Renken ein SOLL-Prozess entwickelt, der einen vereinfachteren und transparenteren Ablauf eines solchen Erlaubnisverfahrens abbildet.

Zukunftsorientiert hat Student Arne Jaritz im Rahmen seiner Masterarbeit mit dem Titel „Beschleunigung von Genehmigungsverfahren mittels der FAST-Analyse im Bereich der Klimaneutralität“ die Notwendigkeit einzelner Schritte des Antragsverfahrens hinterfragt und sich kritisch mit den aktuellen Gesetzesgrundlagen auseinandergesetzt. Über eine sogenannte Function Analysis System Technique (FAST) und die Erstellung von Ursache-Wirkungsdiagrammen, die die chemischen Stoffeigenschaften von Wasserstoff und sicherheitsrelevante Aspekte beachten, hat A. Jaritz Wege zu einem IDEAL-Prozess als ideales Genehmigungsverfahrens aufgezeichnet. Grundsätzlich gilt: Wasserstoff kann bei Unfällen zu Schäden an der Umgebung führen und es können Gefahren für den Menschen entstehen, aber Wasserstoff ist als Element weder umwelt- noch gesundheitsgefährdend, wodurch insbesondere Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz hinsichtlich dieser Aspekte angepasst werden müssen. Die Arbeit von A. Jaritz leistet insofern nach Aussage der Betreuerin der Masterarbeit M. O‘Shea auch im Rahmen des übergeordneten Ziels, Verwaltungsverfahren für notwendige Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaziele zu vereinfachen, einen wichtigen Beitrag.

Der modellierte standardisierte Prozess ist die Grundlage für den digitalen Demonstrator, der als Entscheidungshilfe für Antragstellende und Behörden zur Auswahl eines Erlaubnis- oder Genehmigungsverfahrens dienen soll. Interessierte konnten während der Projektlaufzeit das Tool unter www.wasserstoffprozesse.de/demonstrator testen. Weiter kann der entwickelte Soll-Prozess in informationstechnischen Verwaltungssystemen oder neuen Anwendungen zum Beispiel für Antragsteller leicht umgesetzt werden, da Standardnotationen und -formate wie BPMN und XML genutzt wurden. Notationen umfassen Regeln und Symbole, die eine (grafische) Darstellung von Geschäftsprozessen ermöglichen. Durch die weit verbreitete Nutzung der oben genannten Notationen wird eine Weiterverwendung der erzielten Ergebnisse vereinfacht.

Das Projekt H2BPMM wird aus dem Förderfonds der Länder Bremen und Niedersachsen von der Metropolregion Nordwest gefördert und von der BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH und weiteren Partnern finanziell unterstützt.

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