Studie von Aurora Energy Research: Importierter „grüner“ Wasserstoff wird bis 2030 konkurrenzfähig zu Wasserstoff aus heimischer Produktion

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Erneuerbarer H2, Forschung & Entwicklung, International
Foto: Aurora Energy Research

„Grüner“ Wasserstoff ist unverzichtbar für die Energiewende in Deutschland und der EU. Der REPowerEU-Plan der Europäischen Kommission sieht in ihm den Schlüssel zum Ersatz von Erdgas, Kohle und Öl, um die Treibhausgasemissionen in anderweitig schwer zu dekarbonisierenden Industrien und im Transportbereich zu senken. Daher sollen bis 2030 jährlich 10 Mio. t Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen in die EU importiert werden, das entspricht der Hälfte des erwarteten jährlichen Wasserstoffverbrauchs der EU. Modellrechnungen, die die Aurora Energy Research, Oxford, anhand einer Fallstudie für Deutschland durchgeführt hat, zeigen, dass Importe von „grünem“ Wasserstoff aus bestimmten Ländern im Jahr 2030 preislich mit Wasserstoff aus heimischer Produktion konkurrieren könnten.

Als Lieferanten von „grünem“ Wasserstoff für europäische Verbraucher kommen unter anderem Australien, Chile, Marokko und die Vereinigten Arabischen Emirate sowie Spanien in Frage, so Hanns Koenig, Managing Director Central Europe der Aurora Energy Research. Diese Länder haben ein hohes Potenzial für die Nutzung erneuerbarer Energiequellen und könnten den „Grünstrom“ für die Wasserstoffproduktion zu sehr niedrigen Kosten erzeugen. Dementsprechend groß ist ihr Interesse an Projekten zum Wasserstoffexport. Nach den Berechnungen der Aurora liegen die Produktionskosten pro Kilogramm „grünem“ Wasserstoff im Jahr 2030 in Australien, Chile und Spanien bei 3,10 Euro, in Marokko bei 3,20 Euro und in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) bei 3,60 Euro. Für in Deutschland hergestellten „grünen“ Wasserstoff haben die Energiemarktanalysten in einer früheren Studie dagegen Produktionskosten zwischen 3,90 und 5,00 Euro pro Kilogramm ermittelt.

Pipelinewasserstoff aus Spanien und Marokko günstiger als deutsche Produktion
Trotz zusätzlicher Kosten für Transport und gegebenenfalls Umwandlung wäre „grüner“ Wasserstoff aus Spanien, Marokko, Australien und Chile in Deutschland wettbewerbsfähig (siehe Grafik). Am günstigsten wäre Wasserstoff, der per Pipeline geliefert wird; das wäre prinzipiell aus Spanien und Marokko möglich: Spanischer Wasserstoff würde in diesem Fall mit 3,46 Euro/kg deutlich weniger als Wasserstoff aus deutscher Produktion kosten. Vor diesem Hintergrund ist laut H. Koenig die beschlossene Verlängerung der geplanten Pipeline H2Med zwischen Barcelona und Marseille nach Deutschland ein bedeutender Schritt, so sie denn wie geplant bis 2030 realisiert werden kann. Ideal wäre es aus seiner Sicht, wenn möglichst bald auch Marokko an ein europäisches Wasserstoffpipelinenetz angeschlossen würde. Dann wäre der von dort gelieferte Wasserstoff mit 3,72 Euro/kg ebenfalls deutlich günstiger als der in Deutschland hergestellte.

Transporte per Schiff nach Deutschland sind grundsätzlich mindestens 20 % teurer als der Pipelinetransport: So käme verflüssigter Wasserstoff aus Spanien auf 4,35 Euro/kg und aus Marokko auf 4,58 Euro/kg. Bei Transport mittels flüssiger organischer Wasserstoffträger (LOHC) oder in Form von Ammoniak wären es aus Spanien rund 4,57 Euro/kg und aus Marokko rund 4,70 Euro/kg, einschließlich der Kosten für die Rückumwandlung in gasförmigen Wasserstoff in Deutschland. Für Importe aus Australien und Chile kommt generell nur der Schiffstransport in Frage. Sie erreichen Wettbewerbsfähigkeit nur dann, wenn der Wasserstoff als Ammoniak transportiert wird; dann lägen die Kosten bei 4,84 Euro/kg bzw. 4,86 Euro/kg. All diese Werte bewegen sich innerhalb der Spanne der Herstellungskosten in Deutschland, es käme also auf den konkreten Einzelfall an, ob sie wettbewerbsfähig sind. Bei Wasserstoff aus den VAE wäre der günstigste Transport ebenfalls in Form von Ammoniak; mit 5,36 Euro/kg wäre dieser aber im Vergleich zur heimischen Produktion nicht wettbewerbsfähig.

Transportinfrastruktur auch für innereuropäische Wasserstoffströme nötig
Neben den Importen aus anderen Ländern sieht der REPowerEU-Plan bis 2030 innerhalb der EU eine Wasserstoffproduktion von 10 Mio. t/a vor. Die Aurora hat errechnet, dass dafür mindestens 75 GW an Elektrolyseurkapazität erforderlich sind, und führt in seiner Elektrolyseur-Datenbank auch eine stetig wachsende Zahl an entsprechenden Projekten. Dabei werden Entwickler und Betreiber bevorzugt in Regionen aktiv, in denen die Bedingungen für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen günstig sind, zum Beispiel im Mittelmeerraum. Gleichzeitig sind die Abnehmer für den Wasserstoff, beispielswiese große Industriebetriebe wie Stahlhersteller oder Chemieunternehmen, häufig weit entfernt. Daraus ergibt sich für H. Koenig völlig unabhängig von Importen ein zunehmender Bedarf an Wasserstofftransporten. Da die Berechnungen klar zeigen, dass Pipelines der kostengünstigste Transportweg für Wasserstoff sind, lohnt sich ein beschleunigter Ausbau der Infrastruktur, wie gerade beim Projekt H2Med beschlossen.

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