RWI: Konjunktureller Dämpfer, aber keine tiefe Rezession

Gesch. Lesedauer: 3 Minuten
Daten + Statistiken
Foto:

Der Nordrange-Index für November letzten Jahres. Schätzung von RWI/ ISL nach Angaben für 6 Häfen; November 2022: Schnellschätzung. (Grafik: RWI/ISL)Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Essen, geht in seiner aktuellen Konjunkturprognose von Mitte Dezember 2022 davon aus, dass die deutsche Wirtschaftsleistung in 2022 um 1,8 % zugenommen hat. Das sind 0,7 Prozentpunkte mehr als in der Prognose vom September des vergangenen Jahres erwartet. Für 2023 prognostiziert das RWI einen Rückgang von 0,1 % statt 0,8 % Wirtschaftswachstum. Für 2024 wird ein Anstieg von 1,9 % erwartet. Die Arbeitslosenquote wird 2023 auf 5,5 % zunehmen und 2024 leicht auf 5,3 % zurückgehen. Die Inflationsrate dürfte in 2023 auf 5,8 % fallen, im nächsten Jahr weiter auf 2,5 % abnehmen. Das Defizit der öffentlichen Haushalte wird in diesem Jahr auf rund 96 Mrd. Euro zurückgehen. In diesem Jahr wird es auf rund 105 Mrd. Euro steigen, 2024 wieder auf rund 54 Mrd. Euro zurückgehen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das RWI erwartet in seiner aktuellen Konjunkturprognose für 2022 einen Anstieg des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,8 % und damit um 0,7 Prozentpunkte mehr als in seiner Prognose vom September dieses Jahres. Für 2023 erwartet das RWI statt 0,8 % jetzt – 0,1 % BIP-Wachstum. Für 2024 senkt das Institut seine Prognose von 2,6 % auf 1,9 % Wirtschaftswachstum.
  • Die Konjunktur in Deutschland erweist sich zum Jahresende erstaunlich robust. Im dritten Quartal wurde die Wirtschaftsleistung recht deutlich ausgeweitet. Dazu trugen vor allem der private Konsum und die Ausrüstungsinvestitionen bei. Der private Konsum wird anscheinend dadurch gestützt, dass die Haushalte während der Corona-Krise gebildete Ersparnisse auflösen, um beispielsweise Urlaubsreisen nachzuholen.
  • Im Winterhalbjahr dürfte der private Konsum zurückgehen. Insbesondere für die privaten Haushalte nehmen die finanziellen Belastungen weiter zu. Zwar fallen die Belastungen durch die hohen Gas- und Strompreise aufgrund der von der Regierung beschlossenen Entlastungsmaßnahmen weniger stark aus als noch im Sommer erwartet. Steigende Verbraucherpreise sorgen jedoch dafür, dass die real verfügbaren Einkommen nochmals kräftig sinken werden. Ab dem zweiten Quartal 2023 dürfte der reale Konsum dann wieder kräftig anziehen. Dann dürfte nach der Heizperiode die akute Phase der Energiekrise für die Haushalte überwunden sein und auch die Verbraucherpreise sinken.
  • Der Arbeitsmarkt hat sich im dritten Quartal 2022 robust entwickelt. Der Anstieg der Beschäftigung hat sich jedoch zuletzt verlangsamt. Die konjunkturellen Unsicherheiten senken die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen und energieintensive Betriebe schicken ihre Belegschaft zum Teil wieder in Kurzarbeit. Arbeitskräfteknappheit und Fachkräftemangel dürften jedoch dafür sorgen, dass die prognostizierte Rezession im Winterhalbjahr keinen besonders starken Anstieg der Arbeitslosigkeit zur Folge haben wird. Im Jahresdurchschnitt dürfte die Arbeitslosenquote 5,3 % im Jahr 2022 betragen, in 2023 auf 5,5 % steigen und im Jahr 2024 wieder bei 5,3 % liegen.
  • Die drastische Verteuerung von Strom und Gas hat die Verbraucherpreise in diesem Jahr stark in die Höhe getrieben. Der leichte Rückgang der Teuerungsrate von 10,4 % im Oktober auf 10 % im November könnte aber bedeuten, dass der Höchstwert der Inflation zum Jahresende erreicht wurde. Die Strom- und Gaspreisbremse dürfte den Anstieg der Verbraucherpreise im kommenden Jahr um deutlich mehr als einen Prozentpunkt reduzieren. Insgesamt ist zu erwarten, dass die Preissteigerung von 7,9 % in 2022 auf 5,8 % in diesem Jahr und 2,5 % im Jahr 2024 zurückgehen wird.
  • Die Staatseinnahmen entwickeln sich im Prognosezeitraum robust und bleiben relativ zum BIP in etwa konstant. Einnahmen aus Unternehmenssteuern waren im bisherigen Verlauf des Jahres 2022 überraschend hoch und dürften auf hohem Niveau bleiben. Die Staatsausgaben dürften 2022 moderat zulegen, obwohl Corona-bezogene Ausgaben, insbesondere Unternehmenshilfen, in großem Maße wegfallen. Die Hilfszahlungen bleiben aber wohl im Prognosezeitraum auf erhöhtem Niveau im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren, weil Gelder an Unternehmen und private Haushalte fließen, um hohe Energiepreise abzumildern. Das Defizit der öffentlichen Haushalte dürfte in 2022 auf rund 96 Mrd. Euro zurückgehen. In diesem Jahr dürfte es auf rund 105 Mrd. steigen, im nächsten Jahr stark auf rund 54 Mrd. Euro sinken.
  • Der aktuellen RWI-Konjunkturprognose liegt die Annahme zugrunde, dass die deutsche Konjunktur auch in den kommenden Monaten wesentlich von der Energiekrise bestimmt wird, aber keine Gasmangellage auftritt. Gleichwohl wird unterstellt, dass die Sorge um mögliche Energieengpässe die Ausgabenneigung von Verbrauchern und Unternehmen in diesem Winter verringert. Erst im Frühjahr 2023 ist mit einer durchgreifenden Entspannung der Wirtschaftslage zu rechnen. Für den Winter 2023/2024 wird angenommen, dass über den Sommer genügend Gas gespeichert werden kann, um auch im nächsten Winter eine Gasmangellage zu vermeiden.

Das größte Risiko für die konjunkturelle Entwicklung Deutschlands ist laut RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt derzeit die Inflationsentwicklung. Auch der Krieg gegen die Ukraine bleibt ein beträchtlicher Risikofaktor.

Beitrag teilen:

Neueste Artikel