Rekordbeteiligung an der Konferenz und drei Gewinner des Innovationspreises „Renewable Material of the Year 2023“

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Chemie, Forschung & Entwicklung
Innovation Award Nominierte und Sponsoren, v.l.n.r.: Hao Ding (Covetion Biomaterials), Sheila Khodadadi (Avantium), Philipp Arbter (Colipi), Michael Carus (nova-Institute), Norbert Baum (Qore), Christian Goldhahn (Kuori), Raul Schweizer (Kuori), Jakob Röskamp (traceless materials), Asta Partanen (nova-Institute), Christoph Gürtler (Covestro).
Foto: nova-Institut

Die jährliche Renewable Materials Conference, die vom 23. bis 25. Mai stattfand, ist nach Aussage der Veranstalter eines der größten und wichtigsten Treffen für die Branche der erneuerbaren Materialien. Der neue Veranstaltungsort, das Rhein Sieg Forum in Siegburg bei Köln, wurde sehr gut angenommen. Eine Rekordzahl von 465 Teilnehmenden aus 32 Ländern besuchte 80 Vorträge, 20 Podiumsdiskussionen und fünf Workshops. Während der drei Tage sorgten ein Matchmaking-Bereich, lange Mittagspausen und drei abendliche Treffpunkte für ein umfassendes und effektives Netzwerken.

Ein zentrales Thema der Konferenz war die Zukunft der Chemie- und Werkstoffindustrie. Wie kann eine starke, innovative und nachhaltige Industrie aussehen, die ihren Kohlenstoff nicht mehr aus fossilen Quellen bezieht? Welche Möglichkeiten bieten bio-basierte Produkte, Produkte aus CO2 und chemisches Recycling schon heute? Welche Trends zeichnen sich für die Raffinerien der Zukunft ab? Welche neuen Bausteine und Polymere wachsen am Markt überdurchschnittlich und lohnen eine Investition? Welche Nachfrage und Impulse kommen von den Markenherstellern und welche politischen Rahmenbedingungen können den Wandel der Branche begleiten und unterstützen?

Um Net-Zero-Emissionen zu erreichen, insbesondere wenn so genannte Scope-3-Emissionen einbezogen werden, zu denen die Rohstoffe und das Lebensende der Produkte gehören, wird immer ersichtlicher, dass fortgesetzte Investitionen in fossile Kohlenstoffprodukte ein erhebliches Investitionsrisiko darstellen. Investoren und Markeninhaber üben zunehmend Druck auf die Anbieter aus, schnell in alternative Kohlenstoffquellen zu investieren, deren Verfügbarkeit ein zentrales Thema der Konferenz war.

Michael Carus, Geschäftsführer der nova-Institut GmbH, einem unabhängigen, wissenschaftsbasierten Forschungs- und Beratungsinstitut in Hürth bei Köln und Veranstalter der Konferenz, fasst die aktuelle Situation wie folgt zusammen: Es ist klar, was getan werden muss, die Technologien sind vorhanden und viele Unternehmen sind bereit, in erneuerbare Lösungen zu investieren. Was jetzt noch aus Sicht von M. Carus fehlt, sind kluge politische Maßnahmen, um die Brücke zwischen heute und 2050 zu schlagen, damit die Unternehmen in der Nachhaltigkeitstransformation wettbewerbsfähig bleiben.

Der US-Inflation Reduction Act legt eine politische Strategie fest, um die Defossilisierung der chemischen Industrie hin zu einer Industrie, die auf erneuerbarem statt fossilem Kohlenstoff basiert, zu beschleunigen. Wie kann der europäische Green Deal gestaltet werden, um einen ähnlichen Effekt auf „grüne“ Investitionen in Europa zu haben? In einem Workshop mit Experten der DG Grow (Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU), Brüssel wurden Vorschläge aus der Industrie gesammelt, wie Hindernisse überwunden und dieser große Wandel mit Nachdruck unterstützt werden kann: Heute stammen 93 % des Kohlenstoffs, der für Chemikalien und Materialien in Europa verwendet wird, aus fossilen Quellen – bis 2050 muss dieser Anteil auf Null reduziert werden.

Auf der Konferenz wurden viele mögliche Wege zu einer Netto-Null-Zukunft für Materialien und Chemikalien vorgestellt und diskutiert. Für Dominik Müller, Senior Manager Sustainability & Market Development der UPM Biochemicals, Helsinki, dem Platinsponsor der Konferenz, war die Renewable Materials Conference die perfekte Plattform, um mit anderen Experten zu diskutieren, wie der Wandel hin zu einer Netto-Null-Kreislaufwirtschaft beschleunigt werden kann. Es wurde deutlich, dass alternative Rohstoffe wie bio-basierte, kohlendioxidbasierte und recycelte Rohstoffe die wichtigsten Hebel sind, um diesen Wandel zu ermöglichen. Es bedarf klarer Botschaften und eines starken Engagements entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von den Rohstofflieferanten über den Chemiesektor bis zu den Marken, damit die Industrie schneller und mutiger handeln kann.

Die Gewinner des renommierten Innovationspreises stehen fest
Mit dem Innovationspreis „Renewable Material of the Year 2023“ zeichnen das nova-Institut als Veranstalter und die Covestro AG, Leverkusen, als Sponsor drei besonders spannende und vielversprechende Lösungen aus, die dazu beitragen, fossilen Kohlenstoff aus dem Boden zu ersetzen. Dreißig Unternehmen hatten auf die Ausschreibung geantwortet, sechs Nominierte hatten ihre Innovationen auf der Konferenz präsentiert und drei wurden von den Teilnehmenden der Renewable Materials Conference ausgewählt.

Christoph Gürtler, Leiter der globalen Industrie- und Forschungskooperationen der Covestro, gratulierte den Gewinnern: Mit der KUORI GmbH, Windisch, die an bio-basierten und biologisch abbaubaren elastischen Materialien arbeitet, zum Beispiel für Schuhsohlen, hat das Publikum aus seiner Sicht ein hochinteressantes Thema für den renommierten Renewable Materials of the Year Award 2023 ausgewählt. Die Covestro begrüßt es diesen Preis zu sponsern und eine langfristige Beziehung mit dem nova-Institut und der Renewable Carbon Initiative zu pflegen.

Nach den Worten von Raul Schweizer, Chief Operating Officer der KUORI ist es ein Privileg für das Unternehmen, von internationalen Experten aus Industrie und Forschung mit dem ersten Platz als „Renewable Material of the Year 2023“ ausgezeichnet zu werden. Der positive Spirit und Veränderungswille hin zu einer Kreislaufwirtschaft entspricht den Werten und der Mission der KUORI. Laut R. Schweizer, hatte das unternehmen auf der Konferenz die Möglichkeit, mit internationalen Unternehmen wertvollen Austausch darüber zu führen und hat wertvolle Kontakte gewonnen.

Erster Gewinner
Die KUORI GmbH entwickelt und produziert bio-basierte und biologisch abbaubare elastische Materialien auf der Grundlage von Lebensmittelabfällen wie Bananenschalen und Nussschalen, die nachhaltige Alternativen zu herkömmlichen elastischen Materialien für verschiedene Anwendungen bieten.

Der erste Anwendungsfall sind Schuhsohlen. Das Unternehmen arbeitet dazu mit Schuhherstellern zusammen, die Sohlen aus den innovativen Materialien herstellen. Dadurch wird die Anhäufung von dauerhaften Mikroplastik vermieden und eine ökologische End-of-Life-Perspektive für das Produkt geboten.

Die Materialien können durch industrielle Kompostierung vollständig in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden. Damit ermöglichen die Materialien ein zirkuläres Geschäftsmodell für Schuhproduzenten und andere Hersteller von Waren.

Zweiter Gewinner
Die COLIPI GmbH, Hamburg, entwickelt innovative Bioprozesse für die Umwandlung von CO2 in nachhaltige, kohlendioxidarme Alternativen zu Pflanzenölen wie Palmöl. Die Kerninnovation besteht in einem patentierten Gasfermentations-Bioreaktor, der die weltweit schnellsten kohlendioxidverwertenden Mikroorganismen nutzt und Abgase, die CO2 (direkt), H2 und O2 enthalten, in kohlenhydratreiche Biomasse umwandelt. Diese Biomasse und/oder industrielle organische Nebenströme dienen als Ausgangsmaterial für heterotrophe Fermentationen, zum Beispiel die Hefeölfermentation.

Bestimmte Hefestämme haben die Stärke der Rohstoff-Agnostik: eine große Vielfalt an verschiedenen Rohstoffen kann als Kohlenstoffquelle dienen, unter anderem C5-Zucker, C6-Zucker, flüchtige Fettsäuren und Fettreste. Die COLIPI arbeitet aktiv an der gemeinsamen Forschung und Entwicklung mit großen Unternehmen, die potenzielle Rohstoffe zur Verfügung stellen, während die COLIPI diese auf ihre Eignung für den jeweiligen Zweck testet. Das Produkt besteht aus Triacylglyceriden, die in ihrer Zusammensetzung denjenigen von Pflanzen, beispielsweise Ölpalmen, entsprechen und hauptsächlich aus C16:0-, C18:0- und C18:1-Fettsäuren bestehen. Außerdem werden wertvolle Moleküle wie antioxidative Vitamine, nämlich Astaxanthin, Tocopherole und andere Carotinoide gewonnen.

Es wurden Ökobilanzen und techno-ökonomische Analysen durchgeführt, die sowohl die beispiellos niedrigen CO2-Fußabdrücke der Produkte als auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit zum Ausdruck bringen. Die Fermentation mit zwei separaten Prozessschritten soll in Zukunft auf einen einstufigen Prozess vereinfacht werden.

Dritter Gewinner
Die traceless materials GmbH, Hamburg, produziert eine neuen Generation plastikfreier natürlicher Polymermaterialien, die über bio-basierte oder biologisch abbaubare Kunststoffe hinausgehen. Das Material treceless basiert auf pflanzlichen Rückständen aus der Landwirtschaft und enthält zu 100 % bio-basierten Kohlenstoff. Der Ansatz unterstützt den Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien und unterstützt und vermeidet gleichzeitig einen direkten Nahrungsmittelkonflikt. Darüber hinaus ist traceless eine giftfreie und klimafreundliche Lösung, da bei der Herstellung und Entsorgung bis zu 95 % weniger CO2 ausgestoßen wird als bei herkömmlichen Kunststoffen. Die zum Patent angemeldete Produktionstechnologie ist skalierbar und effizient und bei der Herstellung werden durchschnittlich 83 % des fossilen Energiebedarfs vermieden. Obwohl traceless wie Plastik aussieht und sich auch so anfühlt, ist das Material zertifiziert, plastik- und mikroplastikfrei und vollständig biokreislauffähig – es hinterlässt also keine Spuren. Das Start-up produziert traceless als Basismaterial in Granulatform.

Die Kunststoff- und Verpackungsindustrie kann dieses Granulat mit Standard-Verarbeitungstechnologien zu festen Produkten, flexiblen Folien, Beschichtungen oder Klebstoffen weiterverarbeiten. Auf diese Weise kann traceless in einer Vielzahl von Endprodukten eingesetzt werden – von Einwegprodukten, über starre und flexible Verpackungen, bis hin zu Produkten mit hohem Abrieb und Beschichtungs- und Klebstofflösungen.

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