Selbst bei einer erfolgreichen Transformation der Industrie zur Klimaneutralität wird es noch Prozesse geben, bei denen unvermeidbare CO2-Mengen entstehen. Der Umgang mit diesen bildet daher einen wichtigen Baustein für die klimaneutrale Zukunft – der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur für den Transport des Kohlendioxids ist entsprechend unumgänglich. Mit dem vergangenen Monat veröffentlichten Diskussionspapier zeigt die unter dem Dach der Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate GmbH, Düsseldorf, arbeitende Initiative IN4climate.NRW die Herangehensweise für eine ökonomisch sinnvolle Infrastrukturentwicklung auf.
Die Reduktion von klimaschädlichen CO2-Emissionen ist auf dem Weg in eine klimaneutrale Industriezukunft das oberste Ziel. Doch auch künftig wird es Prozesse geben, bei denen die Entstehung von Kohlendioxid unvermeidbar ist, zum Beispiel, weil CO2 in Rohstoffen wie Kalkstein selbst enthalten ist und während der Verarbeitung entweicht. Damit diese Restemissionen abgefangen, gespeichert oder weiter genutzt werden können, bedarf es einer Infrastruktur, die den Transport des Gases ermöglicht. IN4climate.NRW skizziert in dem jetzt veröffentlichten Diskussionspapier „Impuls: Nationaler Planungsprozess für eine CO2-Transportinfrastruktur“ einen Planungsprozess, der eine ökonomisch sinnvolle Infrastrukturentwicklung ermöglicht und damit einen wichtigen Beitrag zur Investitionssicherheit leistet. Insgesamt 21 Partner der Initiative haben das Papier mitgezeichnet, darunter hochrangige Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer UMSICHT und das Wuppertal Institut, die Universität RWTH Aachen sowie die Unternehmen Air Liquide, BP, Heidelberg Materials, Uniper, Thyssengas, Open Grid Europe, Wittekind und Lhoist.
Um CO2, das nicht vermieden werden kann, am Eintritt in die Atmosphäre zu hindern, muss es laut Samir Khayat, Geschäftsführer von NRW.Energy4Climate, zunächst an der industriellen Quelle abgefangen werden. Über eine entsprechende Infrastruktur soll das Klimagas anschließend entweder chemisch genutzt oder geologisch gespeichert werden. Der strukturierte Aufbau eines Transportnetzes ist daher ein dringliches Anliegen, mit dessen Planung aufgrund des großen zeitlichen Vorlaufs jetzt begonnen werden muss, um eine rechtzeitige Bereitstellung zu gewährleisten. Mit der Initiative IN4climate.NRW bringt die Landesgesellschaft die Kompetenzen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft an einen Tisch und entwickelt konkrete Strategien, um Klimaneutralität in der Industrie in die Praxis umzusetzen.
In NRW wurden bereits mit der Carbon-Management-Strategie die Grundsteine für eine Kohlendioxidwirtschaft gelegt. Auch auf Bundesebene ist das Thema jetzt ein Punkt der aktuellen Agenda: Neben der turnusmäßigen Evaluierung des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes bis Jahresende hat das Bundeswirtschaftsministerium eine nationale Carbon-Management-Strategie mit Fokus auf die Kohlendioxidwirtschaft für das Jahr 2023 angekündigt. Der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur bedarf jedoch viel Zeit und Vorlauf im Sinne einer Bedarfsermittlung. Ein weiterer entscheidender Erfolgsfaktor ist außerdem die Begleitung des Prozesses durch die Politik. Adressat des IN4climate.NRW-Diskussionspapieres ist daher insbesondere die Bundesregierung, da hier die gesetzgeberische Zuständigkeit sowohl für die Planung als auch die Bewältigung rechtlicher Hürden liegt und bedeutende Punkte für einen grenzüberschreitenden Transport auf EU-Ebene abgestimmt werden müssen.
Für Dr. Iris Rieth-Menze, Teamleiterin Projektmanagement Industrie und Produktion der NRW.Energy4Climate und Autorin des Papiers, bildet die Kohlendioxidwirtschaft eine bedeutende Säule für die klimaneutrale Industrietransformation und muss angesichts der sich drastisch verschlechternden Klimalage dringend aufgebaut werden. Es gibt bereits Lösungen aus der Forschung und Entwicklung, und Unternehmen haben bereits erste Infrastrukturvorhaben in Deutschland kommuniziert. Für die Umsetzung einer solchen neuen Transportinfrastruktur ist allerdings ein begleitender zentraler Politik- und Planungsansatz ein entscheidender Erfolgsfaktor. Mit dem Papier möchte I. Rieth-Menze mit der Initiative IN4climate.NRW den nationalen Planungsprozess einer solchen Infrastruktur unterstützen und nicht zuletzt auch vorantreiben.
Das Diskussionspapier zeigt nicht nur Aspekte auf, die bei der Bedarfsplanung für eine CO2-Transportinfrastruktur berücksichtigt werden müssen, sondern benennt außerdem Akteure, die bei der Realisierung relevant sind. Das sind unter anderem die Bundesländer, Träger der Regionalentwicklungsplanung, potenzielle und bestehende CO2-Infrastrukturbetreiber, internationale CO2-Abnehmer und auch die Zivilgesellschaft.
Was sollte für die Bedarfsplanung berücksichtigt werden? Dazu werden im Papier folgende Aspekte genannt:
- Konzentration der Infrastrukturpläne vorrangig auf Pipelines.
- Identifizierung und Realisierung von Standorten, an denen CO2-Ströme aus verschiedenen Quellen und Infrastrukturen zusammenlaufen und weiter transportiert oder verarbeitet werden.
- Berücksichtigung von Transportkapazitäten, die für die Umsetzung der Ziele und Strategien der Bundesregierung notwendig sind sowie von CO2-Mengen aus den umgebenden und vorgelagerten Regionen.
- Kontinuierliche und dynamische Auslegung der CO2-Infrastruktur bis 2045 aufgrund zeitgleicher Errichtung von Abscheideanlagen und Erschließung von CO2-Senken.
- Neubau von Pipelines für den CO2-Transport, da eine Umwidmung von Erdgasleitungen aus technischen und kapazitiven Gründen voraussichtlich nicht möglich sein wird.
- Planerische Verknüpfung mit dem anvisierten Gasnetz für den Transport von Wasserstoff.
- Orientierung an Planungsprozessen zum Aufbau von CO2-Transportinfrastrukturen in anderen Nationen.
- Orientierung an nationalen Netzentwicklungsplänen Strom und Gas.
Um mit den Klimaschutzzielen des Bundes im Einklang zu sein, empfiehlt die AG außerdem die Erstellung eines Initialplans bis spätestens 2025, die darauffolgende Festlegung eines Infrastrukturplans bis spätestens 2027 und die Umsetzung erster Schlüsselpipelineprojekte bis 2030. Um diesen Zeitplan einhalten zu können, bedarf es der Klärung rechtlicher Grundlagen für Raumordnungs- und Zulassungsverfahren zur Errichtung der benötigten Fernleitungen und Anlagen. Ebenso muss Klarheit über die Zulässigkeit des grenz-
überschreitenden Transports von Kohlendioxid zwecks unterirdischer Speicherung geschaffen sowie haftungsrechtliche Fragen geklärt werden.
Für die klimaneutrale Industriezukunft ist es von großer Bedeutung, das Entweichen von unvermeidbaren CO2-Mengen in die Atmosphäre zu verhindern und das Kohlendioxid zu speichern oder weiter im Kreislauf zu führen und zu nutzen. Eine notwendige Voraussetzung dafür ist der Aufbau eines entsprechenden Transportnetzes, das alle wesentlichen Akteure überregional verbindet.
Das Papier hat die Initiative IN4climate.NRW unter dem Dach der Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate erarbeitet. Mitgetragen wird es von den Forschungseinrichtungen Fraunhofer UMSICHT und Wuppertal Institut, der Universität RWTH Aachen (Lehrstuhl Technische Thermodynamik sowie Operations Management), dem VDEh Betriebsforschungsinstitut (BFI), den Unternehmen Air Liquide, BP, Rain Carbon, Heidelberg Materials, Open Grid Europe, Deutsche Rohstofftechnik (RHM-Gruppe), Lhoist, Shell, Solvay, Speira, Spenner, Thyssengas, Uniper und Wittekind sowie dem Bundesverband der deutschen Kalkindustrie und dem VDZ Verein Deutscher Zementwerke.