Ein digitaler Zwilling für Projektionen, eine unabhängige Stelle für die Zertifizierung und neue rechtliche Strukturen zum Monitoring. Hiermit müsste Projekten zur CO2-Speicherung in Küstengebieten geholfen werden, fordern zwei aktuelle Studien unter Erstautorenschaft der Helmholtz-Zentrum Hereon GmbH, Geesthacht. Die beiden „Paper“ erschienen jüngst in Environmental Research Letters beziehungsweise in Elementa. Die Expertise der Hereon-Autoren richtet sich vor allem an Politik und Wirtschaft.
Sogenannte „Blue Carbon-Ökosysteme“ zur CO2-Speicherung an den Küsten und im Ozean können Seegräser, Mangroven oder Salzwiesen sein. Ob sie die Klimaziele erreichen helfen und wie das gelingen kann, muss noch genauer erforscht werden. Projekte für die CO2-Speicherung stoßen Wissenschaft und Wirtschaft immer häufiger an. Aber die Risiken müssten besser erforscht und reguliert werden, fordern die Autoren. Eine internationale Gesetzgebung ist laut ihnen hierfür vonnöten. Nur so könnte sich eine Blue-Carbon Industrie etablieren.
Klare Regeln für eine Branche mit Zukunft
Die Regulierung durch Gesetze und die Evaluierung seien wichtig, sagt Erstautor Bryce von Dam vom Hereon-Institut für Kohlenstoff-Kreisläufe. Das schaffe man aber nur mit einer internationalen, übergeordneten Organisation für Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung. Jene könne Zertifikate ausstellen und gerechte Bedingungen schaffen. Das Pariser Klimaabkommen soll dazu beitragen, den Kohlenstoffabbau zu regeln. Aber bis es vollständig ratifiziert ist, muss es andere Überprüfungsinstanzen geben. Außerdem dürften kleinere Projekte nicht benachteiligt werden – solange sie nachweislich Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernten, so die Autoren.
Dr. Bryce von Dam, Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum Hereon, erklärt, dass ein Digitaler Zwilling zusätzlich hilft, Basisline-Szenarien zu modellieren und zu zeigen, wie der Kohlenstoffkreislauf ohne Blue Carbon-Aktivitäten aussieht. Dies gelingt gut, wenn er reale Daten in Echtzeit sammelt. Der Zwilling erstellt KI-gestützt „Was-wäre-wenn-Szenarien“, um die Wirksamkeit der Methoden zur Speicherung zu bewerten.
Wirtschaft und Wissenschaft stärker verzahnen
Hereon-Institutsleiter Prof. Dr. Helmuth Thomas und andere Forschende kommen zum Ergebnis, dass die Rolle von Küsten- und Meeresökosystemen bei der Bekämpfung des Klimawandels beitragen kann, jedoch nur, wenn neue internationale Steuerungs- und Rechtsrahmen gefunden werden. Dies ist auch wichtig, um unerwartete Nebenwirkungen zu erkennen.
Nur juristisch klar definiert könnten Wissenschaft, Wirtschaft und Politik gemeinsam Rahmenwerke schaffen. Ein Beispiel wäre, Haftungsfragen zu klären. H. Thomas sagt, dass manche Maßnahmen an der falschen Stelle sogar zu einem Mehr an CO2-Emissionen führen können. Die Effektivität einzelner Projekte müsse noch viel besser erforscht und bewertet werden. Unklar ist auch, inwieweit internationales Recht Staaten schon heute zur Wiederherstellung mariner Lebensräume verpflichtet. Es braucht verbindliche politische Vorgaben.