Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung e. V., Essen, senkt seine Wachstumsprognose und sieht Deutschland zunehmend abhängig von staatlichen Ausgabenprogrammen. Für 2025 erwartet das Institut nur noch 0,2 % Wirtschaftswachstum, für 2026 und 2027 prog-
nostiziert es 1,1 % beziehungsweise 1,4 %.
Damit korrigiert das RWI seine Sommerprognose um 0,1 % beziehungsweise
0,4 % nach unten. Das Wachstum ab 2026 soll maßgeblich durch finanzpolitische Impulse (jeweils 0,9 % des nominalen BIP) getragen werden. Die privaten Investitionen bleiben schwach, strukturelle Wettbewerbsprobleme werden durch die expansive Finanzpolitik lediglich überlagert, nicht gelöst. Das Staatsdefizit steigt von derzeit rund 116 Mrd. Euro auf rund 158 Mrd. Euro (2026) und 170 Mrd. Euro (2027). Die Arbeitslosenquote verharrt bei über 6 %, die Inflationsrate pendelt um das EZB-Ziel von 2 %.
Das Wichtigste in Kürze:
- Staatlich finanziertes Wachstum: Das deutsche BIP wächst 2025 um lediglich 0,2 %, 2026 um 1,1 % und 2027 um 1,4 %. Der Hauptimpuls kommt von den öffentlichen Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung.
- Private Investitionen bleiben dagegen schwach: Die Ausrüstungsinvestitionen gehen 2025 um 2,2 % zurück und erholen sich in den Folgejahren nur mäßig. Hohe Energiekosten, Bürokratielasten und mangelnde digitale Infrastruktur bremsen weiter die Investitionsbereitschaft der Unternehmen.
- Die Staatsdefizite nehmen zu: Das Finanzierungsdefizit steigt von 2,6 % des BIP (2025) auf 3,4 % im kommenden Jahr und auf 3,6 % in 2027. Die Maastricht-Schuldenstandsquote der öffentlichen Haushalte dürfte im laufenden Jahr bei 62 % liegen. Im Jahr 2026 dürfte sie auf 65 % und im Jahr 2027 auf 66 % steigen. Deutschland wird zunehmend abhängig von schuldenfinanzierten Wachstumsimpulsen.
- Der Arbeitsmarkt stagniert: Die Arbeitslosenquote sinkt nur minimal von 6,3 % (2025) auf 6,2 % (2026) und 6,1 % (2027). Die Beschäftigung stagniert bei rund 46 Mio. Erwerbstätigen und geht demografisch bedingt leicht zurück.
- Der Außenhandel bleibt unter Druck: US-Zölle von 15 % auf EU-Importe und anhaltende handelspolitische Unsicherheit belasten die Exportwirtschaft. Die Auftragseingänge aus dem Ausland sind in den vergangenen Monaten zwar gestiegen und der RWI/ISL-Containerumschlagindex für Juli deutet darauf hin, dass die Ausfuhren aus den europäischen Häfen zugelegt haben. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die Belastungen vonseiten der amerikanischen Außenpolitik nachlassen. Denn vage Zollabkommen und die Unberechenbarkeit des US-Präsidenten befeuern die Unsicherheit. Im Jahresdurchschnitt 2025 dürfte der Welthandel nur um 2,9 % zunehmen. Im kommenden Jahr dürfte das Expansionstempo dann nur noch 0,4 % betragen und in 2027 auf 1,8 % steigen.
- Die schwache Entwicklung der deutschen Wirtschaft spiegelt sich in anhaltend gedämpfter Unternehmensstimmung wider. Zwar haben sich die Geschäftserwartungen leicht erholt, die Lagebeurteilung verharrt jedoch auf niedrigem Niveau. Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen ihre Hoffnungen vor allem auf staatliche Ausgabenprogramme setzen, nicht auf eine grundlegende Verbesserung der Standortbedingungen. Verschlechtert sich die Stimmung in den kommenden Monaten, erwartet das RWI einen erneuten Rückgang der Investitionen und den Abbau von Arbeitsplätzen.
- Die Inflation entwickelt sich moderat. Nach 2 % in diesem Jahr fällt sie 2026 auf 1,8 %, bevor sie 2027 wieder das EZB-Ziel von 2 % erreicht. Günstigere Energiepreise und ein aufgewerteter Euro wirken disinflationär, während die Dienstleistungsinflation allmählich zurückgeht.
- Das größte Risiko für die deutsche Konjunktur liegt in der aktuellen Abhängigkeit von staatlichen Impulsen selbst. Verzögert sich der Mittelabfluss aus den Sondervermögen oder bleiben die erhofften Multiplikatoreffekte aus, droht ein noch schwächeres Wachstum. Gleichzeitig verschärfen sich die strukturellen Wettbewerbsprobleme weiter, je länger sie unbearbeitet bleiben.
- Weitere Risiken ergeben sich aus der US-Handelspolitik. Die vage formulierte Zolleinigung zwischen der EU und den USA birgt Konfliktpotenzial. Neue Handelshemmnisse könnten die ohnehin schwächelnde Exportwirtschaft zusätzlich belasten.
Die demografische Entwicklung verstärkt den Fachkräftemangel und begrenzt das Wachstumspotenzial. Ohne strukturelle Reformen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und Verbesserung der Standortattraktivität droht Deutschland in eine Phase anhaltender Wachstumsschwäche zu geraten.
„Die staatlichen Ausgabenprogramme können kurzfristig stabilisieren, lösen aber nicht die grundlegenden Wettbewerbsprobleme der deutschen Wirtschaft“, warnt RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt. Die Unberechenbarkeit der US-Zollpolitik belastet seiner Einschätzung nach zwar die deutsche Exportwirtschaft. Das Kernproblem ist laut T. Schmidt aber ihre anhaltend schwindende Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten. „Eine Kehrtwende erfordert zwingend umfassende strukturelle Reformen. Staatliche Investitionen können private Aktivitäten auf Dauer nicht ersetzen“, mahnt der Konjunkturexperte.





