Im Projekt PowerLand 4.2 entwickelten die Universität Hohenheim, die Hochschule Reutlingen und die Novatech GmbH, Wolpertshausen, die Steuerung für eine vollständig automatisierte Biogasanlage, die erneuerbaren Strom und Wärme bedarfsgerecht insbesondere in den Produktionslücken von Sonne und Wind liefert. Die Steuerung wurde erfolgreich in einem Reallabor getestet. Dank Energiebedarfsprognosen und einer angepassten, flexiblen Fütterung können Biogasanlagenbetreiber mit diesem Ansatz Investitionen in größere Gasspeicher vermeiden.
Mit Strom aus sogenannten flexibilisierten Biogasanlagen lassen sich Lücken zwischen der wetterabhängigen Stromerzeugung aus Wind und Sonne und dem tatsächlichen Bedarf (auch als Residuallast bezeichnet) gezielt schließen. Der Biogasbetreiber orientiert sich dabei üblicherweise an den Preisen der Strombörse. Bei der Flexibilisierung von Biogasanlagen erhöht man in der Regel die installierte Leistung durch Zubau von BHKW und vergrößert den Gas- und ggf. Wärmespeicher. So ist es möglich, bei hoher Stromnachfrage besonders viel Strom zu erzeugen. In Zeiten schwacher Stromnachfrage wird das Biogas dagegen nicht verstromt, sondern gespeichert.
Im Projekt PowerLand 4.2 wollten die Forschenden einen Schritt weitergehen und mit einer Biogasanlage den Bedarf einer konkreten Ansiedlung im Zusammenspiel mit Sonnenenergie decken. Dabei sollte dieser Ausgleich möglichst vollständig für Strom und Wärme und außerdem automatisiert erfolgen. Dafür reichen Börsenstrompreise als Signale nicht aus. Stattdessen braucht es eine intelligente Steuerung für das Blockheizkraftwerk (BHKW) der Biogasanlage. Diese muss Informationen über den lokalen Strom- und Wärmebedarf, Füllstände der Biogas- und Wärmespeicher und die Erzeugung aller sonstigen erneuerbaren Anlagen vor Ort für die nächsten Tage kennen, verarbeiten und daraus sinnvolle Fahrpläne für das BHKW und vorausschauende Fütterungspläne für die Fermenter ableiten. In Süddeutschland sind bei den sonstigen erneuerbaren Anlagen vor allem Photovoltaik(PV)anlagen relevant, Windenergie spielt nur eine geringe Rolle.
Eine der Zielgrößen im Projekt war eine netzdienliche, stromoptimierte Fahrweise, bei der die Aufgabe der Wärmebereitstellung als „Leitplanke“ fungierte. Das bedeutet, dass das BHKW zwingend einschalten musste, sobald ein Wärmebedarf vorlag und der Wärmespeicher leer war, auch wenn gerade keine Residuallast benötigt wurde. In allen anderen Fällen aber sollte das BHKW die „Stromlücke“ schließen. Außerdem galt es, die Biogasanlage so „smart“ zu füttern, dass mit dem trägen Biogasprozess zur richtigen Zeit die richtige Menge Gas für die BHKW-Fahrpläne bereitstand.
Im Ergebnis steht jetzt ein praxistaugliches Vorhersagemodell der Biogasproduktion bei gegebener Fütterung zur Verfügung, sowie eine darauf basierende Methode, um zum Gasbedarf passende Fütterungspläne zu entwerfen. In einem mehrwöchigen, realen Testlauf an der Forschungsstation „Unterer Lindenhof“ der Uni Hohenheim stellte das System schließlich seine Praxistauglichkeit unter Beweis. Die Station verfügt über eine Biogasanlage, ein Wärmenetz und einen Energieverbrauch, der etwa dem eines 130-Einwohner-Dorfes entspricht. Eigens für den Testlauf wurde zusätzlich eine PV-Anlage installiert, deren Produktion in die Vorhersagemodelle mit einfloss. Es zeigte sich, dass die Prognosedaten nahe an der Realität lagen und das BHKW die entsprechenden Fahrpläne gut umsetzte. Insgesamt lag die Abweichung zwischen berechnetem und tatsächlichem Strombedarf bei 4,4 %, beim Wärmebedarf zwischen 7 % und 9 %. Es stellte sich außerdem heraus, dass das BHKW die Netze entlastete, ohne dabei seine Aufgabe als Wärmelieferant zu vernachlässigen: Es wurde deutlich weniger überschüssiger Strom in das umliegende Netz abgeben und bei Engpässen deutlich weniger Strom daraus importiert.
Die in PowerLand 4.2 entwickelte BHKW- und Biogasanlagensteuerung lässt sich problemlos auch an anderen Standorten einsetzen und bietet sich insbesondere für Anlagen an, die Wärmeabnehmer versorgen. Benötigt werden lediglich die Betriebsdaten, die man in der Regel ohnehin erfasst. Der wesentliche Vorteil des Ansatzes gegenüber einer klassisch flexibilisierten Anlage besteht laut Projektleiter Privatdozent Dr. Andreas Lemmer von der Uni Hohenheim darin, mithilfe der bedarfsgerechten Fütterung teure Investitionen in größere Gasspeicher zu vermeiden. Im Vergleich zur nicht-flexibilisierten, im Dauerbetrieb laufenden Biogasanlage erzielen die Betreiber auch höhere Stromerlöse.
Das Vorhaben wurde im Rahmen des Förderaufrufs „Systemintegration von Bioenergie“ des BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Bonn/Berlin, unterstützt. Ziel war es, die besonderen Stärken der Bioenergie noch mehr und „smarter“ für die Energiewende zu nutzen. Insgesamt wurden 19 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, teilweise mit Reallaboren, gefördert.