Fehlende Infrastruktur und steigende Kosten bremsen E-Auto-Hochlauf

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E-Mobilität
Foto: eot

Zinswende, Inflation, Kostenanstieg bei Batterien, Fahrzeugen und Strom – in den vergangenen Monaten haben sich die Rahmenbedingungen für einen beschleunigten Hochlauf der Elektromobilität deutlich verschlechtert. Auch die Verbraucher betrachten das Thema pessimistischer, denn trotz steigender Anzahl an Modellen hat der Anteil der Menschen, die beim nächsten Auto auf einen reinen Stromer setzen würden, in Deutschland kaum zugenommen. Das zeigt die globale Automotive Consumer Study der Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München.

Demnach würden 16 % der Befragten bei ihrem nächsten Autokauf ein reines Elektroauto wählen. Ende 2021 waren es 15 % – damals jedoch ein starker Anstieg im Vergleich zu 2020, als 6 % dieselbe Aussage tätigten. Obwohl der Umweltbonus für Hybridfahrzeuge jetzt ausgelaufen ist, liegt der Anteil der Befragten, die sich für diesen Antriebstyp entscheiden würden, deutlich höher: für Plug-in- und Hybridfahrzeuge bei insgesamt 27 %.

Im Vergleich der globalen Fokusmärkte (China, Indien, Südkorea, USA, Japan, Deutschland sowie Südostasien) ist die Akzeptanz für reine Stromer in China am größten. Dort würden 27 % ein solches Auto als nächstes kaufen. Als wichtigstes Argument für den Kauf eines E-Autos gaben die deutschen Verbraucher niedrigere Treibstoffkosten an, gefolgt von Sorgen wegen des Klimawandels und schließlich Förderprogramme durch die Regierung.

Zukünftig weniger Elektroautos verkauft

Dr. Harald Proff, globaler Sektorleiter für den Bereich Automotive der Deloitte, warnt, dass das Zusammenspiel zwischen aktuellen Entwicklungen und den Wünschen der Konsumenten dazu führen könnte, dass der Hochlauf der Elektromobilität nicht so schnell voran kommt wie gesellschaftlich gewünscht.

Niedrigere Kosten für Strom und der Umweltbonus sind hierzulande wesentliche Argumente für den Kauf eines E-Autos. Aktuell schießen die Stromkosten in die Höhe, während die Förderung sukzessive zurückgefahren wird und 2025 sogar ausläuft. Das wird dazu führen, dass künftig weniger Elektroautos verkauft werden. Aus Sicht von H. Proff verfehlt Deutschland das 15-Millionen-Ziel für 2030, wenn Regierung und Unternehmen nicht mit gezielten Maßnahmen gegensteuert.

Deutsche Verbraucher nicht vom E-Auto überzeugt

Bedenklich auch: 49 % der am Kauf eines elektrifizierten Autos Interessierten würden ihre Entscheidung für ein solches Fahrzeug überdenken und sich für einen mit umweltfreundlichen E-Fuel betriebenen Verbrenner entscheiden, wenn ein solcher Kraftstoff verfügbar wäre. 36 % antworteten bei dieser Frage mit „vielleicht“.

Dass viele Deutsche offenbar noch nicht vom E-Auto überzeugt sind, könnte mit Unsicherheiten bezüglich der Infrastruktur zusammenhängen. 75 % der in Deutschland Befragten möchten ihr Auto am häufigsten zu Hause laden. Dieser Wunsch ist im Vergleich zum Vorjahr (70 %) gestiegen – obwohl die Lademöglichkeiten gerade in dicht besiedelten Städten fehlen. Außerdem sind die Erwartungen an die Reichweite hoch: Für eine positive Kaufentscheidung erwartet nahezu die Hälfte der Befragten eine Reichweite von
400 km bis 599 km. Für 30 % sollte man mit voller Batterie 600 km oder mehr fahren können.

Innerhalb der Fokusmärkte haben die deutschen Konsumenten sehr hohe Ansprüche. In Japan erwarten beispielsweise nur 53 % eine Reichweite von 400 km oder mehr. Getoppt werden die deutschen Erwartungen nur von denen der USA, wo 19 %
der Befragten eine Reichweite von mindestens 965 km (600 Meilen) erwarten.

Reichweitenangst beschäftigt Konsumenten

Die Reichweite bereitet den Befragten in Deutschland auch die größten Bedenken, wenn es um vollelektrisch betriebene Fahrzeuge geht. Mit 57 % wurde sie am häufigsten genannt, gefolgt von der fehlenden öffentlichen Ladeinfrastruktur (47 %),
der Ladezeit und der nicht vorhandenen Lademöglichkeit im eigenen Zuhause (jeweils 45 %).

Auch wenn es sie besorgt: Sehr geduldig zeigen sich die deutschen Verbraucher bei der Ladedauer an öffentlichen Ladesäulen. Während in Deutschland nur 13 % der Befragten die Erwartungshaltung haben, ihr Fahrzeug innerhalb von 20 Minuten von 0 % auf 80 % laden zu können, sind die Ansprüche in allen anderen Fokusmärkten diesbezüglich deutlich höher. 57 % würden hierzulande sogar eine Ladezeit von 41 Minuten oder mehr hinnehmen – auch das im internationalen Vergleich ein Spitzenwert.

Für H. Proff zeigt die Konsumentenbefragung, dass die Unsicherheiten beim Thema Elektromobilität groß sind. Aufgabe der Unternehmen und Politik muss jetzt sein, mehr Sicherheit zu vermitteln, indem beispielsweise der Ausbau der Ladeinfrastruktur mit voller Kraft vorangetrieben wird. Für die Automobilunternehmen gilt es, die Kundenwünsche nicht aus dem Blick zu verlieren. Denn ein Teil der Kosten, die durch die Dekarbonisierung der kompletten Wertschöpfungskette entstehen, können mit dem richtigen Angebot und guter Kundenansprache kompensiert werden.

Die Global Automotive Consumer Study ist eine Konsumentenbefragung, die die Deloitte seit 2010 regelmäßig durchführt. Im Herbst 2022 wurden 26.000 Konsumenten in 24 Ländern weltweit zu ihren Präferenzen im Bereich Automotive befragt – 1.506 davon in Deutschland. Elektromobilität war ein Schwerpunktthema. Wenn von Fokusmärkten die Rede ist, sind damit Deutschland, China, Indien, Südkorea, USA, Japan sowie Südostasien gemeint.

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