Die Ereignisse und Entscheidungen dieses Jahres beeinflussen auch die einzelnen Anteile der Energieträger, die in diesem Jahr zur Stromerzeugung eingesetzt wurden. Das zeigt der neue Jahresbericht des BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V., Berlin, zur Energieversorgung 2022. Der Anteil von Erdgas in der Stromerzeugung ging demnach 2022 im Vergleich zum Vorjahr zurück (von 15,4 % auf 13,5 %). Erfreulicherweise gestiegen ist der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung: von 40,5 % auf 44,6 %. Auch bezogen auf den Stromverbrauch ist der Anteil der erneuerbaren Energien spürbar gestiegen: von 42 % auf rund 47 % – so viel wie in keinem Jahr zuvor. Damit wurde fast die Hälfte des Strombedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt.
Der Anteil von Braun- und Steinkohle ging ebenfalls nach oben (von 28,3 % auf 31,9 %). Dieser Anstieg ist zum einen auf die Rückkehr von Kohlekraftwerken zurückzuführen. Aber auch die Ende 2021 stillgelegten Kernenergie-Kapazitäten und der geringere Einsatz der Gaskraftwerke führten zu einer höheren Auslastung der Kohlekraftwerke.
Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass nach vorläufigen BDEW-Berechnungen die CO2-Emissionen der Energiewirtschaft erstmals seit vielen Jahren leicht gestiegen statt gesunken sind: 2022 wurden 260 Mio. t CO2 im Sektor Energiewirtschaft emittiert. Das sind um 44 % niedrigere Emissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990. Damit liegt die Energiewirtschaft aber knapp über ihrem Sektorziel für 2022, das eine Minderung von 45 % vorsieht (tatsächliche Emissionen: 260 Mio. t; Sektorziel: 257 Mio. t).
Trotz der Umwälzungen dieses Jahres verfehlt die Energiewirtschaft ihr Sektorziel also nur knapp. Dennoch: Diese ist diese Entwicklung laut Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, für das Klima natürlich ein Rückschritt. Wir müssen deshalb alles tun, um so schnell wie möglich wieder in die Spur zu kommen. Es braucht mehr Geschwindigkeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien, beim Aus- und Umbau der Netze, bei der Entwicklung eines Wasserstoffmarktes. Die gute Nachricht für K. Andreae ist: Deutschland kann Schnelligkeit. Das zeigt das Beispiel LNG-Terminals.
2023 muss neuen Schub bringen für Investitionen in erneuerbare Energien, in Wasserstoff, in wasserstofffähige Gaskraftwerke und Energienetze. Wichtig ist, dass im nächsten Jahr die Weichen gestellt werden für ein Marktdesign, in dem sich auch Investitionen in steuerbare Stromerzeugungskapazitäten lohnen. Für sie müssen trotz flexibler Fahrweise und der Nutzung klimaneutraler Brennstoffe, wie insbesondere Wasserstoff oder Biomasse, dauerhaft und planbar ausreichende ökonomische Anreize geschaffen werden. Und es müssen die Fesseln gelöst werden beim Planungs- und Genehmigungsrecht, damit die erneuerbaren Energien richtig durchstarten können und auch der dafür notwendige Netzausbau gelingt. Es braucht schlankere Verfahren und Prozesse – eine Gelingenshaltung bis in jede Amtsstube.
Der größte Hemmschuh bei der Windenergie an Land sind nach Auskunft des BDEW nach wie vor fehlende Flächen: 2 % tatsächlich bebaubare Fläche des Bundesgebiets müssten bereits bis zum Jahr 2025 vollständig ausgewiesen sein und nicht erst 2032, wie von der Bundesregierung bislang vorgesehen. Sonst könne die Bundesregierung die nötigen und parallel im EEG festgelegten Ausbauziele bis 2030 nicht erreichen. Auch für Photovoltaikanlagen werden aktuell noch bei weitem nicht alle Flächenpotenziale ausgeschöpft. Für einen PV-Boom auf privaten Dächern braucht es deutliche Verbesserung der Regeln für Prosuming, Mieterstrom und Energy sharing.
Wichtig wird 2023 auch sein, echte Fortschritte bei der Entwicklung eines Wasserstoffmarktes zu erreichen. Der Run auf die Technologien für Wasserstoff ist nach Meinung von K. Andreae eröffnet. Die USA sind hier – wie auch bei vielen anderen Energiewendeinvestitionen – attraktiv aufgestellt aufgrund der Subventionen im Rahmen des Inflation Reduction Acts. Sie fordert deshalb ein Wasserstoff-Gesetz (H2G), in dem die zentralen Punkte für einen schnellen Wasserstoff-Hochlauf schnell geregelt werden. Ebenso braucht es eine Rohstoff-Strategie, die Europa industriell unabhängiger macht bei Energiewende-Technologien.
Mit Blick auf das Thema Gas-Versorgungssicherheit gilt es auch in diesem Jahr, die Gaslieferungen noch breiter zu diversifizieren, den Bau der weiteren LNG-Terminals voranzutreiben, neue Wasserstoff-Allianzen zu etablieren und Energie wo möglich einzusparen. Um die Verbraucher dabei zu unterstützen, hat der BDEW die Initiative „Sparen was geht“ gestartet. Auf der Webseite https://sparenwasgeht.de/ sind zahlreiche Tipps und Informationen zusammengestellt.