Bain-Studie zur Elektromobilität: Ladeinfrastruktur wird zum Milliardenmarkt

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Wirtschaft
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Weltweit weiter steigende Zulassungszahlen von E-Autos und das kürzlich beschlossene Aus für Verbrenner in der EU ab 2035 tragen dazu bei, den Wandel hin zu Fahrzeugen mit Elektroantrieb noch einmal zu beschleunigen. Dies erfordert einen schnellen Ausbau der Ladeinfrastruktur. In ihrer Studie „Electric Vehicle Charging Shifts into High Gear“ analysiert die internationale Unternehmensberatung Bain & Company Germany Inc., München, die Ladeoptionen für E-Auto-Nutzer und zeigt auf, wie sich potenzielle Anbieter im Milliardenmarkt der Zukunft erfolgreich positionieren können.

Tankstellen in neuem Gewand reichen nicht aus

Nach Ansicht von Dr. Eric Zayer, Bain-Partner und Co-Autor der Studie, werden die Märkte von morgen heute verteilt. Deshalb haben Automobilhersteller und -zulieferer sowie Elektrizitätsunternehmen, aber auch Öl- und Gaskonzerne bereits damit begonnen, sich gemeinsam mit Partnern die besten Standorte zu sichern und digitale Plattformen aufzubauen. Viele Unternehmen wollen an dem Boom partizipieren, der rund um die Ladeinfrastruktur für E-Autos einsetzen wird. Tatsächlich werden nach Bain-Analysen die Umsätze in diesem Bereich allein in Europa bis zum Jahr 2030 auf 40 Mrd. Euro bis 55 Mrd. Euro steigen. Derzeit sind es 7 Mrd. Euro bis 8 Mrd. Euro. Der Gewinn wiederum dürfte sich auf bis zu 5 Mrd. Euro belaufen. Noch höher werden die Umsätze in den USA ausfallen. Bis zum Ende der Dekade werden dort 53 Mrd. Euro bis 70 Mrd. Euro erwartet.

Das meiste Geld wird zunächst in den Aufbau von Schnellladestationen in verkehrsreichen Regionen fließen. Dabei sollte es allerdings nicht allein um Tankstellen in neuem Gewand gehen. Viele Fahrer von E-Autos bevorzugen nach Einschätzung von Dr. Ingo Stein, Practice Director Automotive und Mobilität bei der Bain und Co-Autor der Studie, im Alltag das Laden zu Hause oder am Arbeitsplatz und benötigen Schnellladestationen vor allem auf langen Strecken. Welche Lademöglichkeiten sich wo durchsetzen, wird von der vorherrschenden Wohnsituation und der nationalen Regulierung abhängen, aber auch von den individuellen Präferenzen der Nutzer sowie dem jeweiligen Fahr- und Ladeverhalten.

E-Fahrzeuge werden zu Energiespeichern und -spendern

Mittelfristig werden diejenigen Lösungen von großer Bedeutung sein, bei denen das Aufladen von Fahrzeugen mit intelligenten Energiedienstleistungen der nächsten Generation verknüpft ist. Auf solche Smart Energy Services dürfte 2030 bereits rund ein Drittel des weltweiten Gewinns entfallen. Im Fokus stehen sogenannte Vehicle-to-Grid- und Vehicle-to-Home-Konzepte. Dabei geht es im Kern darum, dass Fahrzeuge nicht nur Strom aus dem Netz beziehen, sondern diesen auch speichern und wieder abgeben können. Die Batterien von Elektrofahrzeugen werden sich laut I. Stein zu einem wichtigen Zwischenspeicher entwickeln, um Angebot und Nachfrage bei der stark schwankenden regenerativen Stromerzeugung auszugleichen.

Vorreiter entwickeln klare Handlungsszenarien

Aus Sicht der Bain werden fünf verschiedene Lademöglichkeiten beim Ausbau der entsprechenden Infrastruktur eine zentrale Rolle spielen, was wiederum passende Geschäftsmodelle nötig macht:

  • Laden unterwegs. Der Aufbau von Schnellladestationen erfordert hohe Investitionen, die sich auf bis zu 150.000 Euro belaufen können. Damit die Stationen auf breite Akzeptanz stoßen und sich so die Ausgaben rechnen, bedarf es eines zuverlässigen und schnellen Ladevorgangs, gut gewählter Standorte sowie zusätzlicher Services, beispielsweise WiFi oder eine Überdachung.
  • Laden am Zielort. Auch an hoch frequentierten Standorten wie Supermärkten und Restaurants muss ein störungsfreies Laden mit der jeweils passenden Geschwindigkeit zu wettbewerbsfähigen Preisen gewährleistet sein.
  • Laden zu Hause. Eine einfache Installation der Ladelösung zu Hause sowie attraktive Tarife in Verbindung mit einem Stromvertrag und Smart-Home-Angeboten sind wichtige Voraussetzungen, damit sich Eigenheimbesitzer verstärkt für E-Fahrzeuge entscheiden.
  • Laden am Arbeitsplatz. Dies dürften viele Arbeitgeber ihren Beschäftigten schon in wenigen Jahren ermöglichen. Um als Anbieter zu punkten, braucht es einfache Betriebsmodelle und niedrige Preise.
  • Smart Energy Services. Energiekonzerne werden auf Anbieter von Smart Energy Services setzen, die ihnen einen verlässlichen Zugang zu einer hohen Zahl parkender Fahrzeuge verschaffen können. Das größte Potenzial gibt es rund um Büros und Fabriken sowie in Wohngebieten.

Bain-Partner E. Zayer resümiert, dass unabhängig von den aktuell steigenden Stromkosten der Trend zu batterieelektrischen Fahrzeugen ungebrochen ist. Wer in das Ökosystem rund um die Ladeinfrastruktur für E-Autos investieren will, muss den Markt genau analysieren, Chancen erkennen und konkrete Handlungsszenarien entwickeln. Zu den Gewinnern werden diejenigen gehören, die frühzeitig erkennen, welche Fahrer künftig welche Ladepunkte nutzen werden und welche Services sie dort erwarten.

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