Das Konjunkturbarometer des DIW Berlin Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung hat sich im November 2022 etwas erholt: Mit 82,5 Punkten – im Vergleich zum Tiefstand im Oktober rund 8 Punkte mehr – liegt es aber immer noch deutlich unterhalb der neutralen 100-Punkte-Marke. Die Wahrscheinlichkeit, dass im Winter eine Gasmangellage eintreten wird, hat sich in den vergangenen Wochen verringert. Außerdem helfen die bisherigen und geplanten Entlastungspakete der Bundesregierung, die wirtschaftlichen Folgen der Krise abzufedern. Die konjunkturellen Aussichten haben sich damit ein wenig aufgehellt, bleiben insgesamt aber eingetrübt. So werden die Folgen der Energiekrise die deutsche Wirtschaft vermutlich noch längere Zeit begleiten. Die Inflation ist weiter hoch und die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank dürften die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Jahr etwas belasten. Nach Einschätzung von DIW-Konjunkturexperte Guido Baldi wird die exportorientierte deutsche Wirtschaft in den kommenden Monaten zunehmend auch die Abschwächung der Weltwirtschaft zu spüren bekommen. Obwohl sich die Chancen jüngst deutlich erhöht haben, dass die deutsche Wirtschaft glimpflich durch den Winter kommen wird, sollte die leichte Erholung des Barometers nicht vorschnell als Ende der Talsohle interpretiert werden.
Weiter geht vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine ein hohes Eskalationspotenzial aus und die gegenwärtige Coronawelle in China könnte die Probleme bei internationalen Lieferketten wieder verschärfen. Ohnehin stehen viele Industrieunternehmen in Deutschland angesichts der bisherigen Verzögerungen bei globalen Wertschöpfungsketten sowie der Energiekrise und der hohen Inflation unter Dauerstress. Der Eingang neuer Aufträge ist rückläufig und eine Erholung zeichnet sich nicht ab. Nach der Abarbeitung des momentan noch hohen Auftragsbestands droht eine Flaute. Aktuell können die Unternehmen in Deutschland zwar wieder mehr produzieren und die Kapazitätsauslastung ist hoch, so Laura Pagenhardt, DIW-Konjunkturexpertin. Die Stimmung bleibt jedoch angespannt und die Erwartungen für das kommende Jahr sind aufgrund der hohen Unsicherheit weiter gedämpft.
Der Dienstleistungssektor wird bislang noch durch den robusten Konsum der privaten Haushalte gestützt, auch wenn sich der inflationsbedingte Kaufkraftverlust immer stärker bemerkbar macht. Für viele Haushalte ist die finanzielle Lage schwierig. Dazu kommt, dass die während der Pandemie teilweise aufgebauten Ersparnisse allmählich aufgebraucht sind. Stützend auf den Privatkonsum wirken dagegen die niedrige Arbeitslosigkeit sowie die geplanten Gas- und Strompreisbremsen. Die deutsche Wirtschaft zeigt sich insgesamt widerstandsfähiger als gedacht und kann den von vielen befürchteten Absturz wohl vermeiden. Allerdings gibt es laut G. Baldi leider wenig Hoffnung auf eine schnelle und kräftige Erholung von der gegenwärtig schwierigen Situation.