Die vom Bundeskabinett beschlossene Ausgestaltung der Strom- und Gaspreisbremse droht energieintensive Unternehmen zu verfehlen. Aufgrund des europäischen Beihilferahmens, der Beihilfen unter anderem von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens abhängig macht, müssen für etwaige Rückforderungen von Unterstützungsleistungen im gleichen Umfang Rückstellungen gebildet werden. Somit verpufft die geplante Wirkung der Preisbremsen entlang der gesamten Lieferketten.
Die energieintensive Industrie in Deutschland steht im internationalen Wettbewerb und ist von den enorm gestiegenen Gas- und Strompreisen sehr stark betroffen. Die Energieeinsparungen der Industrie sind in den vergangenen Monaten nur durch Produktionseinschränkungen möglich geworden. Damit sinkt aber auch die industrielle Wertschöpfung in Deutschland, erklärt Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des VIK Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e. V., Berlin.
Deshalb braucht die Industrie dringend finanzielle Unterstützung. Die Preisbremsen sollten Produktionskosten senken und dadurch Entlastungen entlang der Lieferketten bis zum Letztverbraucher ermöglichen. Die deutsche Gaskommission hat bereits im Oktober 2022 eine umfangreiche und durchdachte Finanzhilfe für die Industrie vorgeschlagen; die Bundesregierung hatte anschließend eine vollständige Umsetzung der Vorschläge in Aussicht gestellt.
Aufgrund der EU-Beihilferichtlinien und des Temporary Crisis Framework (TCF) der EU wird das umfassende Rettungspaket jedoch zum finanziellen Risiko. Einige Unternehmen haben bereits angekündigt, die Hilfen unter dem Rahmen des TCF nicht in Anspruch nehmen zu wollen und fordern eine Opt-Out-Klausel im Strom- bzw. Gaspreisbremsegesetz.
Grund dafür ist die Inkompatibilität der Zielsetzung zwischen der nationalen und der europäischen Regulierung. Die Bundesregierung versucht Lieferketten zu stabilisieren, das TCF notleidende Unternehmen zu retten. Dies zeigt sich insbesondere in der Bedingung, dass eine Förderung der energieintensiven Unternehmen nur erfolgen kann, wenn deren EBITDA für das kommende Jahr 40 % unter dem des Jahres 2021 liegt. Da Unternehmenskennzahlen, wie das Betriebsergebnis, bis zum Jahresabschluss mit Unsicherheiten behaftet sind, steht die Rückzahlung der gewährten Beihilfen zur Disposition. Da hierfür Rückstellungen durch die Unternehmen gebildet werden müssen, können die zur Verfügung gestellten Mittel nicht zu einer Reduktion der Produktionskosten beitragen und es erfolgt damit keine weitere Entlastung entlang der Lieferketten.
Die Politik hat versäumt, den Konflikt mit europäischem Recht klar zu benennen.
Die Kommunikation der Bundesregierung hat eine 1:1-Umsetzung der Beschlüsse der Gaskommission in Aussicht gestellt. Dabei wurden die Einschränkungen durch das TCF in der öffentlichen Debatte ausgeblendet. So entsteht vor allem für Unternehmen am Anfang der Wertschöpfungskette ein hoher Erwartungsdruck, die Kostenreduktion durch die vorgesehenen Preisbremsen an ihre Kunden weiterzugeben. Unter den gegebenen europäischen Rahmenbedingungen kann diese aber nicht oder nur bedingt erfolgen.
Das Ziel, den zu erwartenden Preisschock in Deutschland kurzfristig abzuwehren, kann so nicht erreicht werden. Steigende Grundstoffpreise werden zu hohen Kosten entlang fast aller Lieferketten führen und so sämtliche Endverbraucher treffen.
Langfristig besteht die deutliche Gefahr, dass energieintensive europäische Unternehmen Neuinvestitionen überwiegend außerhalb der EU, in Regionen mit günstigeren Produktionsbedingungen, tätigen werden.
Wenn die Politik ihrem Anspruch, der Industrie in Deutschland durch diese Krise zu helfen, gerecht werden will, muss sie in Brüssel intervenieren, damit das TCF nachgebessert oder EU-kompatible Förderinstrumente entwickelt werden. Einfach aussitzen und die Unternehmen mit der Inkompatibilität von nationalem Anspruch und europäischem Recht allein zu lassen, ist aus Sicht von C. Seyfert unverantwortlich.