KIT: Wie die Energiewende gelingen kann – Helmholtz-Studie entwirft integrative Szenarien

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Allgemein
Integrative Zukunftsszenarien für die Energiewende beziehen in Analysen sowohl technische als auch soziale Aspekte ein.
Foto: Mediengestaltung, CSE-MEP/KIT

Bis zum Jahr 2045 will Deutschland die Energiewende vollziehen. Wie eine nachhaltige Transformation des Energiesystems gelingen kann, skizzieren Forscher des KIT Karlsruher Institut für Technologie, des DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V., Köln, und des FZJ Forschungszentrum Jülich. In einem „Policy Briefing“ analysieren die Wissenschaftler der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e. V., Bonn, dabei mögliche Zukunftsszenarien und beziehen ökologische, ökonomische, institutionelle, organisatorische und soziale Aspekte ein.

Laut Jürgen Kopfmüller vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des KIT, sind Kern der Analysen soziotechnische Energieszenarien und eine Abschätzung ihrer jeweiligen Auswirkungen hinsichtlich Nachhaltigkeit. Der Politik werden damit gute Entscheidungsgrundlagen angeboten, um das Energiesystem bis 2045 nachhaltig und klimaneutral umzubauen. Der integrative Szenarioansatz wird dabei der Komplexität besser gerecht als viele derzeit diskutierte Szenarien.

Elektrifizierung in den Fokus stellen
So raten die Autoren, die das Briefing im Helmholtz-Programm „Energy System Design“ (ESD) erarbeitet haben, davon ab, bei künftigen Energieszenarien nur die Entwicklung von Bevölkerung und Wirtschaft zugrunde zu legen, da diese schwer vorhersehbar sind. Denn globale Ereignisse wie Konflikte oder die Entwicklung der EU beeinflussen die Zuwanderung und Bevölkerungsentwicklung ebenso wie die Weltmärkte die deutsche Wirtschaft. Je nach Szenario unterscheidet sich der Energiebedarf deshalb erheblich.

Die Elektrifizierung von Produktions- und Transportprozessen sollte im Zentrum künftiger Strategien stehen. Es wird eine räumliche und zeitliche Flexibilität im Stromsektor, voraussichtlich ergänzt durch den Einsatz von vorwiegend importiertem „grünem“ Wasserstoff benötigt, so Professor Patrick Jochem vom Institut für Vernetzte Energiesysteme am DLR. Für die Transformation des Wärmesektors wiederum ist ein Zusammenspiel von energetischer Gebäudesanierung, Energieträgerwechsel und dem Ausbau der Strom- und Wärmenetze nötig.

Als Folge der Elektrifizierung kann der Strombedarf bis 2045 von derzeit rund 600 TWh auf 1.100 TWh bis 1.300 TWh jährlich steigen. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen muss aus Sicht von P. Jochem in Deutschland viel schneller ausgebaut werden. In den Szenarien ist ein notwendiger Anstieg der installierten Leistung bis 2045 ersichtlich. Und zwar: Bei Photovoltaik auf 370 GW bis 435 GW, bei Windkraft an Land auf 210 GW bis 220 GW und bei Windkraft auf See auf 53 GW bis 70 GW. Das ist mehr als das Dreifache der heute installierten Leistungen. Durch Aufstockung der bestehenden Anlagen kommt das aber nicht einer Vervierfachung der Anlagenbestände gleich.

Nebenwirkungen und Belastungen mitdenken
Der Ausbau sollte mit dem Aufbau einer Infrastruktur für ein effektives Kohlendioxid-Management flankiert werden, mit der sich Kohlendioxid speichern oder aufbereiten lässt. Denn nach heutigem Stand sind Treibhausgasemissionen vor allem in Landwirtschaft und Industrie auch künftig nicht vollständig vermeidbar, so die Prognose der Autoren. Um den ebenfalls steigenden Bedarf an kritischen Rohstoffen wie Lithium, Kobalt oder Nickel zu decken, braucht es außerdem geeignete Strategien, dies umweltverträglich und mit möglichst geringen geopolitischen Risiken zu gestalten.

Dr. Stefan Vögele vom Institute of Climate and Energy Systems – Jülicher Systemanalyse, betont, dass die untersuchten Transformationsstrategien insgesamt die Wertschöpfung im Inland steigern. Arbeitsplätze in energieintensiven Industrien werden vermutlich verlagert, aber nicht zwingend reduziert. Die Politik muss allerdings nach Meinung von S. Vögele Sorge tragen, mögliche zusätzliche Belastungen für Haushalte mit geringem Einkommen zu minimieren – auch, um die Akzeptanz der Energiewende nicht zu gefährden, so S. Vögele.

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10.000 Mitarbeitende auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Die 22.800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist nach eigenen Angaben eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

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